Diogenes Quartet – Franz Schubert: Complete String Quartets Vol. 4 — String Quartet in D minor D810 “Der Tod und das Mädchen” · String Quartet in D D74 · Minuet in D D86

Franz Schubert ca. 1827 - Bild wird Anton Depauly zugesprochen, wurde früher Joseph Mähler zugeordnet [Public domain]Die Musik von Franz Schubert (1797-1828) steht musikhistorisch und stilistisch zwischen der Wiener Klassik und der Romantik. Während seine Jugendwerke oft noch eine Nähe zur  Formenlehre  und  Klangsprache  Haydns,  Mozarts  und  Beethovens  aufweisen, entwickelte  Schubert  bereits  (auf Basis seiner Vorbilder und Vorgänger) sehr  früh  seine  ureigene  Klangsprache,  die  eindeutig expressiv-romantische Züge trägt.

Diogenes Quartett - Franz Schubert: Complete String Quartets Vol. 4Das Diogenes Quartett, zweifellos eines der derzeit besten deutschen Kammerensembles, legt mit dem vierten Teil seiner Schubert-Gesamteinspielung Aufnahmen des Menuetts in D-Dur, des Streichquartetts Nr. 6 in D-Dur und des bekannten Streichquartetts Nr. 14 in d-Moll „Der Tod und das Mädchen“ vor. Dabei führen Sie nahtlos ihren Stil fort, der bei den bisher veröffentlichten Teile die Kritik begeistern konnte. Im Mittelpunkt ihres homogenen, atmenden Ensembleklangs steht eine authentische Lebendigkeit, das zu keinem Zeitpunkt ins Theatralische abgleitet, eine Unart, die sich bei Schubert in den letzten Jahren ein wenig breit gemacht hat. Diese Zurückhaltung kommt Schuberts Quartetten und insbesondere dem emotional aufgeladenen „Tod und das Mädchen“ sehr zugute. Hier wühlt die Musik, nicht der Habitus der Musiker auf. Ohne überzogenen Pathos und mit flüssigem Spiel leuchten sie die zahleichen Chiaroscuro-Effekte in Schuberts Musik mustergültig aus. Hier entsteht Volumen für Volumen ein großartiger Zyklus.

Musik & Interpretation
Klangqualität
Cover & Booklet

Die CD Franz Schubert: Complete String Quartets Vol. 4 des Diogenes Quartetts ist am 10. April 2015 auf Brilliant Classics (94464) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

Various: Chopin Complete Edition — Das Gesamtwerk

Frédéric Chopin, by Louis-Auguste Bisson, very old and poor copy, completely restored and remastered by Amano1 CC-BY-SA-3.0 (http://bit.ly/CCBYSA)Der Name Frédéric Chopin (1810–1849) steht wie vielleicht kein Zweiter für das Klischee des romantischen Künstlers schlechthin: ein obsessiver Pianist und genialer Komponist, der nach dem Zerbrechen der großen, inspirierenden Liebesgeschichte mit George Sand unter dramatischen Umständen früh starb. Beim unbestritten wichtigsten polnischen Nationalkomponisten stehen Legende und Wahrheit oft dicht beieinander und lassen sich kaum trennen. Ein Grund dafür mag sein, dass seine Klavierwerke mit ihrer universellen Sprache die Archetypen für Liebe, Schönheit, Melancholie, Zärtlichkeit und Leidenschaft geradezu definieren und in gewisser Weise sein eigenes Leben reflektieren. Doch bei aller Empathie, die bei der Interpretation seiner virtuosen Kompositionen unabdingbar ist, standen bei Chopin stets Inhalt und Form im Vordergrund. Ausgehend von den oft schlichten Tänzen seiner Heimat, etwa den Mazurken oder den Polonaisen, oder bekannten klassischen Satzformen, wie dem Scherzo oder dem Rondo, erweiterte Chopin deren einfache Strukturen harmonisch, dynamisch und rhythmisch und ermöglichte so eine bemerkenswerte Ausdehnung der Ausdrucksmöglichkeiten.

Die dritte Auflage der Chopin Complete Edition vereint die bewährten Höhepunkte der beiden vorigen Fassungen mit neuem Material zur künstlerisch und klanglich besten Chopin-Gesamtaufnahme aus dem Hause Brilliant Classics. Chopin Complete EditionDie Neuaufnahmen stammen vom italienischen Pianisten Alessandro Deljavan (mit den beiden Études-Zyklen opp. 10 & 25 und den Walzern), dem Münchener Wolfram Schmitt-Leonardy (Klaviersonaten Nos. 2 & 3, die Préludes, Ballades und Impromptus) und dem russischen Gewinner des Moskauer Chopin-Wettbewerbs 1992 Rem Urasin (Mazurken). Bei den Lizenzaufnahmen glänzt die bekannte Chopin-Expertin Ewa Kupiec mit den beiden Klavierkonzerten, während die US-amerikanischen Pianisten-Ikonen Abbey Simon und Earl Wild bei den kleineren Werken für Klavier und Orchester respektive mit den „Nocturnes“ zu hören sind. Als Highlight beinhaltet die Box eine der unbestritten besten Chopin-Aufnahmen aller Zeiten, die „Scherzi“ von Ivan Moravec.

Bis auf eine CD (mit exzellentem Hi-Fi-Material von 1972) handelt es sich bei den hier zusammengefassten Interpretationen ausschließlich um hochwertige digitale Aufnahmen, die zwischen 1989 und 2015 für so renommierten Labels wie Ars Produktion, Dorian Sono Luminus, Ivory Classics, Oehms Classics, Piano Classics, Vox und als Eigenproduktionen entstanden. Das 16-seitige Booklet gibt einen ersten Überblick über Leben und Werk dieses einzigartigen Komponisten.

Fazit: Die Chopin Complete Edition präsentiert Chopins Gesamtwerk in hervorragenden Aufnahmen zum Schnäppchenpreis. Neben den bekannten Kompositionen bietet die Sammlung die nahezu einmalige Möglichkeit, auch die unbekannten Seiten Chopins, etwa seine polnischen Lieder oder seine Kammermusik, in fachkundigen Aufnahmen kennenzulernen.

Musik & Interpretation [∅]
Klang [∅]
Vollständigkeit
Ausstattung, Booklet, Design

Die Chopin Compete Edition ist am 3. April 2015 auf Brilliant Classics (94660) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

Weitere Infos zur Chopin Complete Edition sowie die komplette Tracklist findet man auf der englischsprachigen Produktseite: http://brilliantclassics.com/articles/c/chopin-complete-edition/

Erik Bosgraaf & Jorrit Tamminga: Dialogues

Bisher war der Niederländer Erik Bosgraaf vor allem für seine überragenden Aufnahmen barocker Werke bekannt: Seine Bach-, Händel-, Telemann- und Vivaldi-Aufnahmen (u. a. mit seiner sensationellen Fassung der „Vier Jahreszeiten“ für Blockflöte) wurden von der Presse einhellig gelobt. Doch Bosgraaf beschäftigt sich nicht nur mit Alter Musik, er ist auch stets bemüht, das Repertoire für die Blockflöte mit zeitgenössischer Musik zu erweitern. So improvisierte er mit niederländischen Jazzmusikern auf „Hotel Terminus“ waschechten Postrock über flüchtig angedeutete Bach-Themen und sorgte 2013 für eine der spannendsten und mutigsten Crossover-Produktionen des Jahres.
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Various: Telemann Edition (2015 Edition) — repräsentativer Querschnitt aus dem immensen Œuvre Telemanns

Georg Philipp Telemann - Portrait von Valentin Daniel Preisler [Public domain]Georg Philipp Telemann (1681-1767) schrieb in seiner ungewöhnlich langen, 75 Jahre währenden Schaffenszeit unvorstellbare 3600 Werke. Sein imposantes Œuvre übertrifft das nicht gerade kleine Gesamtwerk seines Zeitgenossen und Freundes Bach um ein Vielfaches, allerdings gelten heute viele von Telemanns Kompositionen als verschollen.

Der kreative Fleiß hat Telemann keinen gebührenden Ruhm beschert, im Gegenteil: Zwar war er zu Lebzeiten ein äußerst erfolgreicher und einflussreicher Komponist, doch bereits kurz nach seinem Tod, spätestens aber in der Romantik, fand eine systematische Diffamierung der Werke und der Person Telemanns statt. Der Geniekult um Johann Sebastian Bach führte zu einer zwangsläufigen Abwertung aller anderen Komponisten. Zunächst warf man Telemann mangelnde Ernsthaftigkeit in der sakralen Musik vor, bald schon verschmähte man ganz allgemein seine »schädliche Fruchtbarkeit« mit der Begründung, dass man von einem Vielschreiber eben keine Meisterwerke erwarten könne. Erst mit der Originalklang-Bewegung und ihrer permanenten Quellensuche begann eine neue, unvoreingenommene Generation von Musikwissenschaftlern und Musikern, Telemanns Werk noch einmal objektiv anhand von Originalität und handwerklicher Kunstfertigkeit zu beurteilen.
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Michel Cardin – Silvius Leopold Weiss: The Complete London Manuscript

Silvius Leopold Weiss - By Bartolomeo Folino (1730–after 1808), after Balthazar Denner (1685–1749). (Bibliothèque nationale de France) [Public domain]Silvius Leopold Weiss (1687–1750) gilt heute als wichtigster deutscher Komponist für Lautenmusik des Barocks. Der älteste Sohn des oberschlesischen Lauten- und Theorbenspielers Johann Jacob Weiss wurde, wie seine Geschwister Johann Sigismund und Juliana Margaretha, schon früh vom Vater unterrichtet. Im Laufe seiner langen Karriere entwickelte Silvius Leopold sich zum letzten bedeutenden Lauten-Virtuosen Europas. Mit über 600 Kompositionen hinterließ er ein beachtliches Vermächtnis. Der Ruhm Weiss’ zu Lebzeiten konnte den Niedergang der Laute allerdings nicht dauerhaft verhindern. Weiss’ Werke gerieten nach seinem Tod schnell in Vergessenheit, zumal sie zum Großteil lediglich als Manuskripte vorlagen. Erst im 20. Jahrhundert wurde sein Œuvre wiederentdeckt und gewürdigt.
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Ivan Moravec – Frédéric Chopin: Scherzi and other music

Frédéric Chopin, by Louis-Auguste Bisson, very old and poor copy, completely restored and remastered by Amano1 CC-BY-SA-3.0 (http://bit.ly/CCBYSA)Die vier Scherzi (opp. 20, 31, 39, 54) von Frédéric Chopin (1810-1849) gehören zu seinen bedeutendsten Klavierwerken. Mit dem eigentlichen Wortsinn (Scherzo = ital.:Scherz) haben sie freilich nichts mehr zu tun. Die vier Kompositionen, die ungefähr zwischen 1830 und 1843 entstanden, sind keine heiteren Tanzsätze (wie etwa bei Beethoven), sondern geradezu dämonisch anmutende, virtuoseste Musik mit raschen Tempi und zahlreichen pianistischen Höchstschwierigkeiten.
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Christian Lambour – Various Composers: Organ Music for Christmas

Die Callinet-Orgel in der Kirche Notre-Dame in St-Etienne – Bild von Jeanluc42 unter gemeinfreier LizenzDas französische Wort Noël bedeutet nicht nur Weihnachten (»Fête de la naissance de Jésus-Christ« so das französische Wörterbuch Larousse), es ist auch (klein geschrieben, noël) die Bezeichnung für das „Weihnachtslied“ (»Cantique spirituel en langue vernaculaire célébrant la nativité de Jésus-Christ« bzw. »Chanson populaire inspirée par la fête de Noël«) oder für eine Instrumentalkomposition über das Thema eines Weihnachtsliedes (»Pièce instrumentale écrite sur un thème de noël chanté«). Generationen von französischen Organisten haben seit dem Spätbarock diese Kunstform entwickelt und mit zahlreichen Kompositionen bereichert.
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Modo Antiquo, Federico Maria Sardelli – Federico Maria Sardelli: Sacred Music

Der aus dem toskanischen Livorno stammende Federico Maria Sardelli (*1963) ist ein echter Tausendsassa: Als Dirigent seines Ensembles Modo Antiquo hat er sich in den vergangenen zwanzig Jahren einen Namen als herausragender Interpret der Musik Vivaldis und Scarlattis gemacht. Mit dem Erstellen der neuen kritischen Notenausgabe der Werke Vivaldis für das venezianische Vivaldi-Institut, leistet er als Musikwissenschaftler unschätzbare Pionierarbeit, darüber hinaus ist Sardelli ein in Italien bekannter satirischer Schriftsteller und Zeichner.
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István Várdai · Pannon Philharmonic, Tibor Bogányi – Pyotr Ilyich Tchaikovsky: Rococo Variations (Original and revised version) · Music for Cello and Orchestra

Pyotr Illyich Tchaikovsky (Portrait von Nikolai Kusnezow)Unter den vielen beliebten Melodien des russischen Komponistenvon Pyotr Ilyich Tchaikovsky (1840–1893) spielen die Werke für Kammerorchester heutzutage nur eine untergeordnete Rolle. Zu Lebzeiten war dies völlig anders: Da war es vor allem seine bezaubernde Salonmusik für kleine Ensembles mit ihren charmanten Einflüssen aus der Volksmusik, die seinen Ruhm begründeten. Nirgendwo sonst kam Tchaikovsky seinem Idol Mozart näher als bei diesen melodiereichen Kleinoden. Nach seinem Tod kehrte sich die Wertschätzung seines Œuvres diametral um, nicht zuletzt wegen der drastischen politischen Veränderungen in Russland: Plötzlich wurden seine dramatischen Werke, die späten Sinfonien, die Konzerte und die Opern, im höchsten Maße geschätzt, während seine Kammerwerke als bloße Unterhaltungsmusik für die (verabscheuungswürdige) Aristokratie abgetan wurden.
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Les Métaboles, Léo Warynski – Mysterious Nativity: Music for choir by G. Sviridov, A. Schnittke, D. Tchesnokov

Gottesmutter von Wladimir, ein Nationalheiligtum Russlands und der russisch-orthodoxen Kirche. (Konstantinopel, um 1100)In der säkularisierten Gegenwart ist die Wiederbelebung der geistlichen Musik ein bemerkenswertes Phänomen. Zwar nimmt die Bedeutung von Religion (zumindest in weiten Teilen der westlichen Welt) im Alltag immer weiter ab, sakrale Werke finden aber nach wie vor großen Anklang, sei es, weil sie mir ihrem meditativen Grundcharakter eine Art Gegenpol zur immer schneller getakteten Welt darstellen, sei es, weil sie auf unmittelbare Weise die Sehnsucht der Menschen nach Spiritualität erfüllen. Selbst in den Jahrzehnten systematischer staatlicher Unterdrückung im Ostblock konnte man die Jahrtausende alte Tradition der geistlichen Musik nicht ganz unterdrücken. Eine der ältesten Musiktraditionen überhaupt, die wichtigste Grundlage unserer heutigen Kunstmusik, erneuert sich immer wieder neu.
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