Various: Borodin Edition – Nahezu vollständige Gesamtausgabe der Werke des russischen Romantikers Alexander Borodin

Alexander Borodin - Foto: [Public domain]Alexander Borodin (1833-1887) war einer der interessantesten Figuren der russischen Romantik. Als eines der fünf Mitglieder des berühmten Mächtigen Häufleins (gemeinsam mit Mily Balakirev, César Cui, Modest Mussorgsky und Nikolai Rimsky-Korsakov) gehörte er zu den einflussreichsten und in gewisser Weise auch zu den einschüchterndsten Figur der russischen Musikwelt, doch Komponist war er nur im Nebenberuf. Im Hauptberuf war Borodin zeit seines Lebens ein verdienstvoller Chemiker und Mediziner. Die ‚Macht‘, die ihm im Bündnis mit seinen Musikerkollegen zugesprochen wurde, war für Borodin nebensächlich. Er blieb ein bescheidener und unauffälliger Mann (ganz wie auf dem Titelbild der Borodin Edition, s. unten ↓), der sich beispielsweise sehr für das Frauenstudium im hoffnungslos rückständigen Russland einsetzte.

Es war für die Komponisten des Mächtigen Häufleins gar nicht so ungewöhnlich, sich der Musik nicht ausschließlich zu widmen: Cui war zeit Lebens Offizier und auch Rimsky-Korsakov und Mussorgsky hattem ‚ein zweites Standbein‘ beim Militär, Balakirev arbeitete in einer Sinn- und Schaffenskrise sogar als Eisenbahnbeamter. Aber kein anderer der Gruppe der Fünf sah sich so dezidiert als Amateur wie Borodin, im Gegenteil, für ihn bedeutete das Komponieren Ablenkung von beruflichen Pflichten.

»Für andere ist die Komposition Aufgabe, Arbeit, Pflicht, bedeutet sie das ganze Leben; für mich ist sie Ruhe, Spaß, eine Laune, die mich von meinen offiziellen Pflichten als Professor, Wissenschaftler ablenkt.«

Borodin Edition - Brilliant ClassicsAus diesen ‚Launen‘ als Komponist resultiert nur ein relativ kleines Œuvre, aber Borodin war alles andere als ein dilettantisch, wenn es um die Ergebnisse ging. Noch Jahrzehnte später lobte Dmitri Shostakovich Borodins außergewöhnliches kompositorisches Können (und in der Tat kann man hie und da in Shostakovichs Klavierwerken noch Borodins mächtigen Schatten wahrnehmen). Borodins Werk deckt zwar quasi alle wichtigen Gattungen ab, leidet aber darunter, dass viele Werke verschollen sind, unvollendet blieben oder gar nicht erst niedergeschrieben wurden.  In seiner Musik verband Borodin Einflüsse der deutschen Romantik (insbesondere Richard Wagner und Franz Liszt, dem er freundschaftlich verbunden war) mit den vielfältigen musikalischen und kulturellen Elementen seiner russischen Heimat. Sein Talent für zauberhafte Melodien wirkte bis weit über seinen Tod nach: Die Musik des bekannten Musicals Kismet von Robert Wright und George Forrest basiert komplett auf Borodins Kompositionen.

Die nun erscheinende Borodin Edition, die einzige umfangreiche Sammlung mit Aufnahmen seiner Werke, fasst auf zehn CDs nahezu das vollständige Gesamtwerk des Romantikers – es fehlen lediglich die frühe, unveröffentlichte Opernfarce „Die Recken“ von 1867, die Orchesterfassung der Polowetzer Tänze (die allerdings als Teile der Oper „Fürst Igor“ vorhanden sind) und einige unveröffentlichte Klavier- und Kammermusikwerke.

Die Aufnahmen in der Box entstanden zwischen 1987 und 2008 für Qualitätslabels wie ASV, Delos und Sony Music sowie der National Music Society  und als Eigenproduktion (mit der Klaviermusik zu zwei und vier Händen) mit überwiegend russischen Interpreten: Zu den Highlights der Box gehören die drei Sinfonien in den sehr gelungenen Aufnahmen des Sinfonieorchesters des Bolschoi-Theater unter der Leitung von Mark Ermler, die bekannte sinfonische Dichtung „Eine Steppenskizze aus Mittelasien“ in der Interpretation der Armenischen Philharmonie unter Leitung des Borodin-Experten Loris Tjeknavorian, das berühmte Streichquartett No. 2 in D-Dur in der Aufnahme des Moscow String Quartet und die zu Unrecht nahezu unbekannte Klaviermusik, aufgenommen vom italienischen Pianisten Marco Rapetti.  Das Magnum Opus Borodins, die Oper Fürst Igor, liegt in einer ordentlichen Aufnahme des Sofia Festival Orchestra unter Emil Tchakarov vor, eine der wenigen digitalen Aufnahmen der Oper überhaupt.

Fazit: Alexander Borodin erweist sich als zu Unrecht unterschätzter (oder auf wenige Werke reduzierter) Komponist. Als nationalbewusster Russe verarbeitete er in seiner Musik Einflüsse aus dem gesamten Zarenreich, in seiner hörenswerten Klaviermusik sind aber neben russischen Elementen auch Einflüsse der deutschen und französischen Romantik zu hören.

Musik & Interpretation [∅]
Klang [∅]
Vollständigkeit
Ausstattung, Booklet, Design

Die 10-CD-Box Borodin Edition ist am 26. Oktober auf Brilliant Classics (94410) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

Weitere Infos zur Borodin Edition und die komplette Tracklist findet man auf der englischsprachigen Produktseite:
http://www.brilliantclassics.com/release.aspx?id=FM00425233

Kommentare sind geschlossen.