Musik war schon seit jeher ein wichtiger Bestandteil im Totenkult der Menschen, sei es, um das Gefühl des Verlustes adäquat auszudrücken, sei es, um dem Begräbnisritual einen formalen Rahmen zu geben, der Raum für Trauer, Erinnerung und Abschied schafft. Bereits in der frühen christlichen Musik wurden entsprechende Bibeltexte zu Traueranlässen gesungen. Später kristallisierten sich drei Hauptvarianten der geistlichen Trauermusik heraus: Vertonungen des „Stabat Mater“, einem mittelalterlichen Gedicht, das den Schmerz der Mutter Jesu um den Gekreuzigten besingt, alttestamentarische „Klagelieder Jeremias“, die die Zerstörung Jerusalems und des Tempels von 586 v. Chr. beklagen und die in der Karwoche eine bedeutende Rolle spielen und die „Missa pro defunctis“. Spätestens ab dem 18. Jahrhundert rückte diese bald „Requiem“ genannte Totenmesse ins Zentrum des Interesses der Komponisten. Das Requiem folgt in der Regel in Text und Sequenz der Liturgie eines (katholischen) Sterbeamtes: Requiem aeternam, Kyrie, Dies irae, Domine Jesu Christe, Sanctus et Benedictus, Agnus Dei, Lux aeterna. Während die Vertonungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine tatsächliche oder zumindest ideelle Messe in einer Kirche zum Anlass hatten, entwickelte sich das Requiem gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur eigenen Kunstform, die nicht mehr für den kleinen Rahmen einer Messe in einer Kirche, sondern für die Aufführung in einem Konzertsaal konzipiert wurde.
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Schlagwort-Archive: sakrale Musik
Les Métaboles, Léo Warynski – Mysterious Nativity: Music for choir by G. Sviridov, A. Schnittke, D. Tchesnokov
In der säkularisierten Gegenwart ist die Wiederbelebung der geistlichen Musik ein bemerkenswertes Phänomen. Zwar nimmt die Bedeutung von Religion (zumindest in weiten Teilen der westlichen Welt) im Alltag immer weiter ab, sakrale Werke finden aber nach wie vor großen Anklang, sei es, weil sie mir ihrem meditativen Grundcharakter eine Art Gegenpol zur immer schneller getakteten Welt darstellen, sei es, weil sie auf unmittelbare Weise die Sehnsucht der Menschen nach Spiritualität erfüllen. Selbst in den Jahrzehnten systematischer staatlicher Unterdrückung im Ostblock konnte man die Jahrtausende alte Tradition der geistlichen Musik nicht ganz unterdrücken. Eine der ältesten Musiktraditionen überhaupt, die wichtigste Grundlage unserer heutigen Kunstmusik, erneuert sich immer wieder neu.
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Coro della Facoltà di Musicologia, Cremona · 15.19ensemble · Il Giardino Delle Muse – Giovanni Albini: Musica Sacra
Giovanni Albini (*1982) ist »einer der interessantesten Komponisten der zeitgenössischen Szene« (so das italienische Panorama-Magazin). In seinen Kompositionen führt er einfache Stimmführungen, Vorhaltakkorde und diatonische
Tonleitern mittels universeller Regeln der Mathematik zu einer Art “harmonischem Continuum” zusammen. So abstrakt sein mathematischer Ansatz auch klingen mag, so überzeugend sind seine Ergebnisse, so musikalisch ist seine Klangsprache
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Brilliant Classics: Neuheiten im Februar 2014
Jeden Monat erscheinen bei Brilliant Classics hochkarätige Neuproduktionen, interessante Wiederveröffentlichungen, Lizenzaufnahmen und enzyklopädische Sammler-Editionen. Auch dieses Mal informiere ich in meinem Neuheiten-Artikel kurz über alle kommenden Neuheiten. Sämtliche in diesem Artikel vorgestellten Titel kommen in Deutschland, Österreich und der Schweiz am 21. Februar 2014 in den Handel.
Eine Auswahl der hier vorgestellten Titel wird im Laufe der folgenden Wochen ausführlich im Blog vorgestellt werden.
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Modo Antiquo, Federico Maria Sardelli – Federico Maria Sardelli: Baroque Concertos · Psalm · Chamber Music
Der aus dem toskanischen Livorno stammende Federico Maria Sardelli (*1963) hat sich als Dirigent seines Ensembles Modo Antiquo einen Namen als herausragender Interpret der Musik Vivaldis und Scarlattis gemacht. Für prestigeträchtige Labels wie Naïve, Deutsche Grammophon, cpo und Tactus hat er mit Weltstars wie Sandrine Piau, lldebrando d’Arcangelo, Ann Hallenberg und Paul Agnew zusammengearbeitet. Seine Aufnahmen wurden bereits zweimal für einen Grammy Award nominiert, und er ist Herausgeber zahlreicher kritischer Notenausgaben der Werke Vivaldis. Darüber hinaus ist Sardelli ein in Italien bekannter satirischer Schriftsteller und Zeichner. Als Komponist hingegen ist er bisher weitgehend unbekannt.
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Heute vor 189 Jahren …
Heute vor 189 Jahren, am 4. September 1824, wurde der Organist und Komponist Anton Bruckner im oberösterreichischen Ansfelden geboren. Kaum vorstellbar: Einer nach unserem Verständnis wichtigsten Symphoniker der Romantik war zu Lebzeiten bei seinen Kollegen und bei der Kritik äußerst umstritten und wurde oft genug sogar verspottet. Seinen Kritikern fehlte offenbar der Weltblick: Bruckner gelang es mit seinen Sinfonien, der in die Krise geratenen Gattung neue Impulse zu verleihen und gleichzeitig ihren Weg in die Moderne zu ebnen.
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„J. S. Bach: Sämtliche geistliche Kantaten“ vom Netherlands Bach Collegium bei klassik.com besprochen
Die Kantaten von Johann Sebastian Bach (1685-1750) sind nicht nur der Nukleus für seine bedeutenden Messen und Passionen, sie sind ein eigenes musikalisches Universum, dass nicht nur durch seine Quantität beeindruckt. Die vorliegenden Aufnahmen des Holland Boys Choir mit dem Netherlands Bach Collegium unter der Leitung von Pieter Jan Leusink entstanden zwischen 1999 und 2000 im Rahmen der populären Bach Edition. Seit ihrer Erstveröffentlichung wurden Sie von Kritikern weltweit immer wieder hochgelobt.
Aron Sayed hat nun die vor kurzem separat erschienene Gesamtausgabe sämtlicher geistlicher Kantaten im unabhängigen Musikmagazin klassik.com vorgestellt.
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Various: Purcell Collection — Umfassende Purcell-Sammlung mit Spitzenaufnahmen
Henry Purcell (1659-1695) galt bereits zu Lebzeiten als der bedeutendste englische Komponist seiner Epoche und wurde als “Orpheus britannicus” verehrt. Trotz seines kurzen Lebens, er wurde gerade einmal 36 Jahre alt, hinterließ er ein relativ umfangreiches Œuvre, das alle wichtigen Bereiche der Barockmusik (Cembalo- und Orgelwerke, Kammermusik, geistliche Werke, Lieder, Opern und Schauspielmusiken) abdeckt. Anders als seine zeitgenössischen Kollegen imitierte er in seiner Musik nicht französische oder italienische Vorbilder, sondern schuf eine spezifisch eigene englische Tonsprache.
Bis ins 20. Jahrhundert galt Purcell in seiner Heimat als einziger britischer Komponist von Weltrang. Seine ungewöhnlich facettenreiche Musik, sein natürlicher Umgang mit Sprache und Melodie, wirkt bis in die heutige Gegenwartskultur: Popkünstler wie Sting und Klaus Nomi haben ‘The Cold Song’ aus “King Arthur” aufgenommen, Pete Townshend, Gitarrist und Songschreiber der Rockband The Who, zählt Purcell zu seinen wichtigsten Einflüssen.
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Holland Boys Choir · Netherlands Bach Collegium, Pieter Jan Leusink: Johann Sebastian Bach: Complete Sacred Cantatas | Sämtliche geistliche Kantaten
Johann Sebastian Bach (1685-1750) hat vermutlich über 300 geistliche Kantaten geschrieben, von denen genau 200 erhalten sind (dazu kommen noch über ein Dutzend weltlicher Kantaten und einige mit ungeklärter Urheberschaft)..Innerhalb der Gattung haben Bachs Kantaten eine solche Bekanntheit und Bedeutung erlangt, dass sich für sie der eigene Begriff ‚Bachkantate‘ eingebürgert hat.
In ihnen verarbeitete Bach Woche für Woche zum Kirchenjahr passende Bibeltexte (bzw. Paraphrasen). Die Kantaten hatten eine Art didaktischen Charakter, verdeutlichten sie doch der Gemeinde durch Musik und Text wichtige Glaubensgrundsätze. Obwohl Bach Woche und Woche eine neue Kantate abliefern musste, vermied er Wiederholungen und Stereotypen und stattdessen eine Fülle unterschiedlichster Ideen. Besonders gelungene Passagen ‚recycelte‘ er in anderen, größerformatigen Werken. Bachs Kantaten sind nicht nur der Nukleus für seine bedeutenden Messen und Passionen, sie sind ein eigenes musikalisches Universum.
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„François Couperin – Orgelmessen“ von Adriano Falcioni und Armoniosoincanto im Musikblog „The Listener“ besprochen
François Couperin (1668 -1733) war der prominenteste Komponist seiner Generation im absolutistischen Frankreich und wirkte vor allem als Schöpfer (und meisterlicher Interpret) von Cembalowerken. Weniger bekannt sind seine zwei Orgelmessen, die er als 22-Jähriger komponierte, als er als Organist von Saint-Gervais-Saint-Protais in Paris wirkte, also noch vor seiner Berufung an den Hof von Versailles: In der „Messe pour les paroisses“ (für die Gemeinden) und die „Messe pour les couvents“ (für die Klöster) verband der junge Couperin den reich verzierten französischen Stil jener Zeit mit verspielt-opernhaften italienischen Einflüssen.
Der Organist Adriano Falcioni hat die beiden Messen mit dem Frauenchor Armoniosoincanto (zu Deutsch wohlklingender Zauber) unter der Leitung von Franco Radicchia für Brilliant Classics aufgenommen. Die Doppel-CD wurde heute im unabhängigen Musikblog The Listener unseres gelegentlichen Gast-Autoren Rainer Aschemeier vorgestellt.
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