Musik war schon seit jeher ein wichtiger Bestandteil im Totenkult der Menschen, sei es, um das Gefühl des Verlustes adäquat auszudrücken, sei es, um dem Begräbnisritual einen formalen Rahmen zu geben, der Raum für Trauer, Erinnerung und Abschied schafft. Bereits in der frühen christlichen Musik wurden entsprechende Bibeltexte zu Traueranlässen gesungen. Später kristallisierten sich drei Hauptvarianten der geistlichen Trauermusik heraus: Vertonungen des „Stabat Mater“, einem mittelalterlichen Gedicht, das den Schmerz der Mutter Jesu um den Gekreuzigten besingt, alttestamentarische „Klagelieder Jeremias“, die die Zerstörung Jerusalems und des Tempels von 586 v. Chr. beklagen und die in der Karwoche eine bedeutende Rolle spielen und die „Missa pro defunctis“. Spätestens ab dem 18. Jahrhundert rückte diese bald „Requiem“ genannte Totenmesse ins Zentrum des Interesses der Komponisten. Das Requiem folgt in der Regel in Text und Sequenz der Liturgie eines (katholischen) Sterbeamtes: Requiem aeternam, Kyrie, Dies irae, Domine Jesu Christe, Sanctus et Benedictus, Agnus Dei, Lux aeterna. Während die Vertonungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine tatsächliche oder zumindest ideelle Messe in einer Kirche zum Anlass hatten, entwickelte sich das Requiem gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur eigenen Kunstform, die nicht mehr für den kleinen Rahmen einer Messe in einer Kirche, sondern für die Aufführung in einem Konzertsaal konzipiert wurde.
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Archiv der Kategorie: Wiederveröffentlichungen
Pieter-Jan Belder · Maurizio Croci & Pieter Van Dijk – Antonio Soler: Keyboard Sonatas · Six Concertos for Two Organs
Padre Antonio Soler (1729–1783) war einer der faszinierendsten Komponistenfiguren des 18. Jahrhunderts. Er verbrachte einen Großteil seines Lebens als Kapellmeister des Klosters der Hieronymiten von El Escorial. Dort komponierte er zahlreiche virtuose Sonaten für Tasteninstrumente, aber auch geistliche Vokalwerke, Villancicos und Kammermusikwerke. Zumindest einen Teil seiner Sonaten schrieb er für den spanischen Prinzen Don Gabriel, dem er täglich Klavierunterricht gab. Neben Domenico Scarlatti, den der junge Soler noch persönlich kennenlernen konnte, gehört er zu den wichtigsten Komponisten von Cembalosonaten im 18. Jahrhundert. Ein gegenseitiger Einfluss der beiden Komponisten ist aus heutiger Sicht mehr als wahrscheinlich, trotzdem gibt es stilistisch prinzipielle Unterschiede: Während Scarlatti nur sehr dosiert spanische Folklore in seine Sonaten einfließen ließ, verwendete Soler bei seinen Kompositionen oft eindeutig identifizierbare volkstümliche Flamenco-Elemente.
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Various: Tchaikovsky Edition (2014 Edition)
Alleine die diskografische Leistung war mehr als eine Würdigung wert: Zum ersten Mal in der Geschichte der Tonaufnahme vereinte die 2011 erstmalig erschienene Tchaikovsky Edition (s. Rezension der 2011-Veröffentlichung) nahezu alle erhaltenen Werke von Pyotr Illyich Tchaikovsky (1840-1893) in einer Veröffentlichung. Dabei wurden bevorzugt Aufnahmen von russischen Künstlern und Ensembles für die Box ausgewählt.
Nun ist die beliebte Edition in einer überarbeiteten Neuauflage erneut veröffentlicht worden. Und obwohl sie etwas weniger umfangreich ausfällt – aus lizenzrechtlichen Gründen hat man auf fünf CDs mit klanglich ohnehin fragwürdigen russischen Archivaufnahmen aus den 1940ern weitgehend verzichtet – ist die Tchaikovsky Edition auch in der 2014-Ausgabe nichts weniger als ein Meilenstein im Brilliant-Classics-Katalog.
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Alfred Brendel – The Legendary Mozart & Beethoven Recordings
Der österreichische Pianist Alfred Brendel (*1931) gehört zu den bedeutendsten Virtuosen des 20. Jahrhunderts. Das australische Musikmagazin Limelight wählte ihn (zurecht!) in die Liste der 10 besten Pianisten aller Zeiten. Nicht nur seine makellose Technik, sondern seine geradezu philosophische, ‚wissende‘ Herangehensweise machen ihn zu einem der herausragendsten Interpreten der Werke Mozarts und Beethovens aller Zeiten.
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Austro-Hungarian Haydn Orchestra, Ádám Fischer – Joseph Haydn: 12 London Symphonies (Nos. 93 – 104)
Nach heutigem Kenntnisstand schrieb Joseph Haydn (1732-1809) nicht weniger als 107 Sinfonien. Er wird deswegen mit einiger Berechtigung als „Vater der klassischen Sinfonie“ bezeichnet. Wenngleich Haydn die Sinfonie in ihrer klassischen Form nicht (alleine) erfunden hat, auch Mozarts Sinfonien hatten einen starken Einfluss auf die Gattung, so hat er sie maßgeblich geprägt und sie in ganz Europa popularisiert. Mehr noch: Durch seine lebenslange Beschäftigung mit der Sinfonie hat er sie quantitativ und qualitativ zur ‚Königsdisziplin‘ der Instrumentalmusik gemacht, an der quasi kein Komponist nach ihm vorbei kam (was nicht immer glücklich endete). Ohne Haydns Pionierleistungen wären die Sinfonien Beethovens, Mendelssohns, Schumanns, Brahms‘, Bruckners, Mahlers usw. nicht vorstellbar.
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Pieter-Jan Belder · Michelangelo Carbonara · Luigi Attademo · Godelieve Schrama · Mie Miki – Domenico Scarlatti: Sonatas – Performed on the harpsichord, piano, guitar, harp and accordion
Domenico Scarlatti (1685-1757) gilt als einer der wichtigsten Erneuerer der Cembalomusik. Die phantasievollen Ideen und harmonischen Erweiterungen und Neuerungen in seinen 555 Sonaten (!) brachten ihm die posthume Bewunderung folgender Generationen von Pianisten-Komponisten wie Chopin, Brahms, Bartók, Shostakovich usw. ein. Seine Sonaten ‘funktionieren’ allerdings nicht nur auf dem Cembalo, sie lassen sich hervorragend auf andere Instrumente übertragen, wo sie dann neue, ungeahnte Facetten der oft unterschätzten Musik Scarlattis freilegen.
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Kristóf Baráti – Johann Sebastian Bach: Sonatas and Partitas for Solo Violin
Die »Sei Solo. a Violino senza Basso accompagnato« (so der italienischsprachige Originaltitel), besser bekannt als die sechs Sonaten und Partiten für Violine solo, BWV 1001-1006 von Johann Sebastian Bach (1685-1750) sind der Prüfstein, ja das regelrechte “Alte Testament” für jeden Violinisten (Das „Neue Testament“ wären dann wohl die zehn Violinsonaten von Ludwig van Beethoven). Der Balanceakt zwischen der technischen Herausforderung der Partiten und Sonaten und der stringenten Interpretation ist die vielleicht schwierigste Aufgabe, der sich ein Virtuose heute stellen kann.
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Holland Boys Choir · Netherlands Bach Collegium, Pieter Jan Leusink: Johann Sebastian Bach: Complete Sacred Cantatas | Sämtliche geistliche Kantaten
Johann Sebastian Bach (1685-1750) hat vermutlich über 300 geistliche Kantaten geschrieben, von denen genau 200 erhalten sind (dazu kommen noch über ein Dutzend weltlicher Kantaten und einige mit ungeklärter Urheberschaft)..Innerhalb der Gattung haben Bachs Kantaten eine solche Bekanntheit und Bedeutung erlangt, dass sich für sie der eigene Begriff ‚Bachkantate‘ eingebürgert hat.
In ihnen verarbeitete Bach Woche für Woche zum Kirchenjahr passende Bibeltexte (bzw. Paraphrasen). Die Kantaten hatten eine Art didaktischen Charakter, verdeutlichten sie doch der Gemeinde durch Musik und Text wichtige Glaubensgrundsätze. Obwohl Bach Woche und Woche eine neue Kantate abliefern musste, vermied er Wiederholungen und Stereotypen und stattdessen eine Fülle unterschiedlichster Ideen. Besonders gelungene Passagen ‚recycelte‘ er in anderen, größerformatigen Werken. Bachs Kantaten sind nicht nur der Nukleus für seine bedeutenden Messen und Passionen, sie sind ein eigenes musikalisches Universum.
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Orquesta Sinfónica de Venezuela, Theodore Kuchar: Latin American Classics
Gast-Rezension von Rainer Aschemeier, Autor des Musikblogs The Listener. Die Besprechung kann man auch dort finden.
Diese CD markiert die Rückkehr eines der interessantesten Dirigenten der letzten 20 Jahre. Ich hatte schon befürchtet, man würde gar nichts mehr von ihm hören, doch hier ist er wieder: Theodore Kuchar. Der ukrainisch-amerikanische Musiker wurde 1960 in New York City geboren und begann seine Karriere als Bratschist. In diesem Sektor brachte er es bis zum ersten Bratschisten des renommierten Cleveland Orchestra und baute sich nebenbei eine eindrucksvolle Laufbahn als Dirigent auf.
Durch einen Mammutvertrag mit Naxos, der über 100 CD-Einspielungen von meist osteuropäischen Werken umfasste, wurde Kuchar – seinerzeit Chefdirigent des Nationalen Sinfonieorchesters der Ukraine – zu einem der meist aufgenommenen und meist verkauften Interpreten der Klassik-Szene. Besonders beeindruckend dabei war, wie hochkarätig trotz „Fließbandarbeit“ seine Einspielungen ausfielen. Die allermeisten Kuchar-CDs waren nicht nur einfach gut, sie waren vielmehr oberste Spitzenklasse und erreichten in der internationalen Musikkritik oftmals höchste Referenzauszeichnungen.
Janáček Philharmonic Orchestra, Theodore Kuchar: Carl Nielsen – Complete Symphonies
Die Musik des dänischen Komponisten Carl Nielsen (1865-1931) erhält hierzulande leider nicht die Aufmerksamkeit, die ihr eigentlich gebührt, handelt es sich doch bei ihm um einen der interessantesten Komponisten der europäischen Spätromantik, der anders als viele seiner Zeitgenossen einen ausgeprägten Personalstil entwickelte, in dem er den klassisch-romantischen Strukturen auch Einflüsse aus den skandinavischen Volksmusiken und – zumindest bei seinen späteren Werken – auch moderne Einflüsse verarbeitete.
Seine sechs Sinfonien sind nicht nur Schlüsselwerke in seinem Œuvre, sondern auch höchst unterschiedliche und überraschende Klangwelten, in denen es viele kleine Details zu entdecken gibt. Sie sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie es Nielsen (ähnlich wie vielleicht sonst nur noch seinem tschechischen Zeitgenossen Leoš Janáček) gelungen ist, sich permanent weiterzuentwickeln, ohne einen echten Stilbruch in seinem Werk zu begehen und dabei eine originelle Klangsprache zu entwickeln und beizubehalten.
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