Various: Tchaikovsky Edition (2014 Edition)

Alleine die diskografische Leistung war mehr als eine Würdigung wert: Tchaikovsky Edition (2014)Zum ersten Mal in der Geschichte der Tonaufnahme vereinte die 2011 erstmalig erschienene Tchaikovsky Edition (s. Rezension der 2011-Veröffentlichung) nahezu alle erhaltenen Werke von Pyotr Illyich Tchaikovsky (1840-1893) in einer Veröffentlichung. Dabei wurden bevorzugt Aufnahmen von russischen Künstlern und Ensembles für die Box ausgewählt.

Nun ist die beliebte Edition in einer überarbeiteten Neuauflage erneut veröffentlicht worden. Und obwohl sie etwas weniger umfangreich ausfällt – aus lizenzrechtlichen Gründen hat man auf fünf CDs mit klanglich ohnehin fragwürdigen russischen Archivaufnahmen aus den 1940ern weitgehend verzichtet – ist die Tchaikovsky Edition auch in der 2014-Ausgabe nichts weniger als ein Meilenstein im Brilliant-Classics-Katalog.

An der fast lückenlosen Vollständigkeit der Edition hat sich nicht viel geändert: Die Box enthält Aufnahmen sämtlicher Werke Tchaikovskys. Es fehlen einige fast ausnahmslos vernachlässigbare Nebenwerke: die erste Oper „Der Wojewode“ (die sowieso nur in einer posthumen Rekonstruktion vorliegt), die Tondichtung „Fatum“ Op. Posth. 77, die „50 russischen Volkslieder“ für Klavier zu vier Händen, einige Transkriptionen und Orchestrierungen und das relativ bekannte Streichsextett „Souvenir de Florence“ op. 70.

 

Was hat sich an der Edition verändert?

Wie oben schon erwähnt, musste man bei der Neuauflage auf die historischen Aufnahmen aus den russischen Radioarchiven verzichten. Da dieser ‚historische Teil‘ der Box ohnehin nur alternative Aufnahmen der bekanntesten Werken enthielt, ist der Verlust in punkto Vollständigkeit nicht allzu groß.
Auch im Hauptteil der Edition mussten einige Aufnahmen ausgetauscht werden: Die Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“ liegt nun in der klanglich exzellenten Aufnahme des London Philharmonic Orchestra unter Alexander Gibson vor (zuvor in der Aufnahme des Kirov Theatre Orchestra unter Yuri Temirkanov). Die Bühnenmusik zu „Hamlet“ liegt nun in der erweiterten Fassung Opus 67bis für Sopran, Bariton und Orchester in der Aufnahme des London Symphony Orchestra unter Geoffrey Simon vor (zuvor op. 67a vom USSR State Radio & TV Symphony Orchestra unter Alexander Gauk). Die die Ballettmusiken zu „Schwanensee“, „Nussknacker“ und „Dornröschen“ erklingen nun in den digitalen Aufnahmen des Royal Philharmonic Orchestra unter Nicolae Moldoveanu, David Maninov und Barry Wordsworth (zuvor waren die Aufnahmen des Orchestre de la Suisse Romande unter Ernest Ansermet Teil der Edition). Die Klavierkonzerte Nos. 1 & 2 liegen nun in den Aufnahmen des Pianisten Derek Han vor (vorher Byron Janis (No. 1) und Shura Cherkassky (No. 2)). Das Violinkonzert sowie einige andere Werke für Orchester und Violine kann man nun in den exzellenten Interpretationen des Violinisten Ilya Grubert hören (vorher Viktor Tretiakov). Das Klaviertrio op. 50 und die drei Streichquartette sind nun in Aufnahmen der Moskauer Virtuosen zu hören (vorher Oistrakh Trio und Endellion String Quartet). Alles in allem kann man resümieren, dass die Box klanglich durch neuere Aufnahmen deutlich aufgewertet wurde ohne dass sie durch den Wegfall einiger großer Namen allzu sehr künstlerisch entwertet wurde.

Pyotr Illyich Tchaikovsky (Portrait von Nikolai Kusnezow)Berühmte Werke wie das erste Klavierkonzert, das Violinkonzert, die bekannten Ballettmusiken, die drei späten Sinfonien, „Romeo und Julia“, das „Capriccio Italien“ und die „Ouvertüre 1812“ auf der einen Seite und Raritäten wie die Klaviermusik, weite Teile der Kammermusik, seine nahezu unbekannten russischen und französischen Lieder oder die frühen Opern auf der anderen Seite, bestätigen und widerlegen gleichzeitig das Klischee von Tchaikovskys Musik, das wir alle im Kopf haben. Tchaikovsky war sicher immer ein Komponist, der in der Lage war die bezauberndsten Melodien zu schaffen, gleichzeitig ist man gerade bei den unbekannten Werken oft von seiner Bescheidenheit und Schlichtheit (angenehm) überrascht. Tchaikovsky ist beileibe nicht nur der Komponist der großen Gesten wie in der „Pathétique“, er ist auch der leise Komponist mit Rückgriffen auf Bach oder Beethoven, wie im bezaubernden Klavierzyklus „Die Jahreszeiten“.

Die einfache Ausstattung der Box folgt dem Vorbild der anderer aktuelle Editionen: Die stabile Box beinhaltet die 55 CDs in schlichten Papphüllen, die mit den diskografischen Angaben (Werk, Interpreten, Aufnahmejahr und ggf. Lizenzgeber) versehen sind. Die Hüllen sind farblich nach Gattungen (Orchesterwerke, Ballettmusiken, Konzerte, Opern, Kammermusik usw.) gegliedert. Im Deckel befindet sich eine kurze Liste der CDs mit den darauf befindlichen Werken. Die Box beinhaltet ein dünnes, 14-seitiges Booklet mit biografischen Angaben; eine erweiterte Fassung des Booklets mit Anmerkungen zu den Werken und den Texten (in lateinischer Umschrift des Russischen und englischer Übersetzung) kann nun in digitaler Form auf der Produktseite unter brilliantclassics.com (Link s. unten ↓) herunterladen.

Fazit: Auch in der Neuauflage ist die Tchaikovsky Edition ein diskografischer Meilenstein, der so manches Vorurteil über Tchaikovskys Musik relativiert. Durch die kompetenten Interpretationen von mehrheitlich russischen Musikern ist hier der authentische, ganze Tchaikovsky zu hören. Eine essentielle Sammlung für jeden Freund der russischen Musik.

Musik & Interpretation [∅]
Klang [∅]
Vollständigkeit
Ausstattung, Booklet, Design

Die Tchaikovsky Edition (2014 Edition)  ist am 17. Januar 2014 auf Brilliant Classics (94650) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

Weitere Infos zur Tchaikovsky Edition sowie das Booklet im PDF-Format findet man auf den englischsprachigen Produktseite:
http://www.brilliantclassics.com/articles/t/tchaikovsky-edition

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