Die Musik des dänischen Komponisten Carl Nielsen (1865-1931) erhält hierzulande leider nicht die Aufmerksamkeit, die ihr eigentlich gebührt, handelt es sich doch bei ihm um einen der interessantesten Komponisten der europäischen Spätromantik, der anders als viele seiner Zeitgenossen einen ausgeprägten Personalstil entwickelte, in dem er den klassisch-romantischen Strukturen auch Einflüsse aus den skandinavischen Volksmusiken und – zumindest bei seinen späteren Werken – auch moderne Einflüsse verarbeitete.

Seine sechs Sinfonien sind nicht nur Schlüsselwerke in seinem Œuvre, sondern auch höchst unterschiedliche und überraschende Klangwelten, in denen es viele kleine Details zu entdecken gibt. Sie sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie es Nielsen (ähnlich wie vielleicht sonst nur noch seinem tschechischen Zeitgenossen Leoš Janáček) gelungen ist, sich permanent weiterzuentwickeln, ohne einen echten Stilbruch in seinem Werk zu begehen und dabei eine originelle Klangsprache zu entwickeln und beizubehalten.

Die bei Brilliant Classics 2005 erstmalig erschienene und von der Presse hochgelobte Gesamteinspielung seiner sechs Sinfonien haben sicher dazu beigetragen, Nielsen als Symphoniker einer interessierten Musikhörerschaft bekannter zu machen. Die exzellenten Aufnahmen des Janáček Philharmonic Orchestra (Janáček schon wieder, sic!) unter dem ukrainisch-amerikanischen Dirigenten Theodore Kuchar gelten vielen Kritikern als Referenzaufnahmen – und dies trotz Konkurrenz deutlich namhafterer Orchester und Dirigenten (u.a. Herbert von Karajan, Leonard Bernstein und Herbert Blomstedt) mit mit ihren Einspielungen.

So schwärmte ClassicsToday.com bei der Erstveröffentlichung:

»Ohne jeden Zweifel ist dies der aufregendste Nielsen-Sinfonien-Zyklus, der auf dem Markt ist (…) enorme Präsenz (…) jubilierende Kraft (…) Kuchar glänzt in allen Belangen: Man wird einfach keine bessere Aufnahme finden.«

In der Tat überrascht Kuchar mit einem glänzend disponierten Orchester aus der (bei allem Respekt) mährischen Provinz. Anders als seine Mitbewerber schafft er es, den individuellen Charakter der Sinfonien detailliert herauszuarbeiten: So überzeugend hört man die ersten beiden, frühen Sinfonien und vor allem die letzte, etwas rätselhafte Sinfonie nicht häufig. Erfreulich ist auch, dass auch die Klangqualität der Aufnahmen nichts zu wünschen übrig lässt.

Lange Zeit war die 3-CD-Box vergriffen, nun ist sie endlich wieder aufgelegt. Für rund 10 Euro erhält man sämtliche Sinfonien eines der interessantesten Symphoniker des 20. Jahrhunderts in einer Spitzenaufnahme. Eine wirklich lohnenswerte Entdeckung.

Die 3-CD-Box Carl Nielsen – Complete Symphonies des Janáček Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Theodore Kuchar ist am 24. August 2012 auf Brilliant Classics (94419) wiederveröffentlicht worden und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.