Der Niederländer Erik Bosgraaf (»Ein verhexender Blockflötist« – The Guardian) gehört zu den derzeit besten und abwechslungsreichsten Blockflötisten der Welt und als einer der derzeit überzeugendsten und authentischsten Interpreten Alter Blockflötenmusik der Renaissance und des Barocks. Doch in Bosgraaf steckt deutlich mehr: Als Künstler einer neuen Generation, die in der Pop-Kultur groß geworden ist, hat er sich eine bemerkenswerte Bandbreite erhalten: Er glänzt als Solist bei Vivaldis Blockflöten-Konzerten ebenso wie als Gast einer Dance-Music-Produktion oder als Solist bei diversen Uraufführungen zeitgenössischer Werke. Mit dem niederländischen Musikpreis (Nederlandse Muziekprijs) erhielt er in seiner Heimat die höchste staatliche Auszeichnung seiner Zunft, für ihn offenbar Ansporn genug, nicht in Wiederholungen zu erstarren.
Bosgraafs Landsmann, der Saxophonist Yuri Honing (»Einer der kreativsten und unerschrockensten Saxophonisten unserer Tage« – The Times), definiert Jazz nicht als bloße Stilrichtung, sondern als regelrechte Sprache mit unendlichen Möglichkeiten. Sein musikalischer Horizont reicht von Projekten mit dem Improvisationskünstler Misha Mengelberg über Auftritte mit der libanesischen Ethno-Sängerin Rima Khcheich bis hin zu der Zusammenarbeit mit Größen des Jazz wie Pat Metheny oder Charlie Haden.
Auf dem vorliegenden Album “Hotel Terminus” musizieren Bosgraaf und Honing erstmalig miteinander in einer sechsköpfigen, elektroakustischen Band mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug sowie Blockflöte und Saxophon.
Im Booklet steht »inspired by Johann Sebastian Bach’s Brandenburg Concertos«. Wer aber eine etwas altbacken verjazzte Potpourri bunter Bach-Melodien à la Swingle Sisters oder Jacques Loussier erwartet, der wird sich bei „Hotel Terminus“ sehr wundern. Die Anspielungen auf Bachs Brandenburgischen Konzerte sind äußerst subtil und man muss sie schon ein wenig suchen (am deutlichsten ist das Zitat des Andantes des Brandenburgischen Konzerts No. 2 in „Hyatt“): „Inspiriert“ heißt eben nicht „ein Arrangement von“ …
Als ‘Soundtrack für einen noch nicht gedrehten Film’ konzipiert, entwickeln Bosgraaf und Honing ein immer wieder überraschendes, einfallsreiches und phantasievolles Panoptikum aus düsteren Postrock- und improvisierten Jazz-Anklängen. Sie loten aber auch immer wieder äußerst lyrische Momente aus. Bosgraafs und Honings avantgardistisch anmutenden Klangexperimente kulminieren im gut 11-minütigen Titelstück, das mich an die progressiven Klangexperimente der schwedischen Jazz-Visionäre des (späten) Esbjörn Svensson Trio erinnert. So viel Mut zur Dekonstruktion und zum Lärm (!) hätte man einem distinguierten Blockflötisten aus dem Alte-Musik-Umfeld und einem technisch brillanten Saxophonisten vielleicht gar nicht zugetraut.
Fazit: „Hotel Terminus“ ist ein Album für den unvoreingenommenen Zuhörer, der sich, beflügelt von der Musik, auf eine spannende Entdeckungsreise der ganz persönlichen Hörerfahrungen begeben möchte. Tolerante, entdeckungsfreudige Klassikfans werden am Album sicher ebenso ihre Freude haben, wie Jazz- und Rock-Fans. Ein Genre-verbindendes Album, das weit über die üblichen halbherzigen „Crossover“-Alben hinausgeht und das Lust auf mehr macht. Diese Formation hat eindeutig Zukunft! Eine unerwartet kühne Veröffentlichung von Brilliant Classics.
Hier noch zwei Klangbeispiele, die die Bandbreite des Albums verdeutlichen:
Die CD Hotel Terminus von Eric Bosgraaf & Yuri Honing ist am 5. April 2013 auf Brilliant Classics (9418) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.
Inhalt:
- Adler
- Inis
- Western
- Sheraton
- Hyatt
- Umai
- Terminus
Wer den Online-Streamingdienst Spotify nutzt, der kann das Album dort vollständig anhören.