Der aus dem toskanischen Livorno stammende Federico Maria Sardelli (*1963) hat sich als Dirigent seines Ensembles Modo Antiquo einen Namen als herausragender Interpret der Musik Vivaldis und Scarlattis gemacht. Für prestigeträchtige Labels wie Naïve, Deutsche Grammophon, cpo und Tactus hat er mit Weltstars wie Sandrine Piau, lldebrando d’Arcangelo, Ann Hallenberg und Paul Agnew zusammengearbeitet. Seine Aufnahmen wurden bereits zweimal für einen Grammy Award nominiert, und er ist Herausgeber zahlreicher kritischer Notenausgaben der Werke Vivaldis. Darüber hinaus ist Sardelli ein in Italien bekannter satirischer Schriftsteller und Zeichner. Als Komponist hingegen ist er bisher weitgehend unbekannt.
Nun erscheint bei Brilliant Classics erstmals eine CD mit Federico Maria Sardellis eigenen Barock-Kompositionen (!). Selbstredend ist Sardellis phantastisches Ensemble Modo Antiquo (auf historischem Instrumentarium) unter Leitung des Maestros selbst zu hören. Unter den exzellenten Solisten, die auf den insgesamt neun Werken zu hören sind, sind vor allem die Sopranistin Roberta Mameli (bei der Psalm-Vertonung „Domine adjuvandum me“) und der Cellist Vittorio Ceccanti (beim Konzert in g-Moll für Cello, Streicher und Basso Continuo) hervorzuheben.
Im Booklet stellt Sardelli in eigenen Worte klar, dass seine Kompositionen alles andere als bloße Imitationen alter Techniken seien:
»Für mich ist es wichtig zu betonen, dass ich keine ’neo-barocke‘ Musik komponiere, sondern Barockmusik. Es geht nicht darum, ein musikalisches Idiom wieder aufzugreifen oder davon beeinflusst zu sein. Was ich mache ist, einem toten Stil neues Leben einzuhauchen. Dann behält dieser Stil seine ursprüngliche Sprache und hält an seinen Merkmalen fest, während er gleichzeitig lebhafte neue Ideen ausdrückt, die zu seiner Identität passen.«
Natürlich kommt man nicht umhin, Sardellis Werke mit denen der Vorbilder, allen voran jenen Antonio Vivaldis zu vergleichen. Und es ist schon unheimlich, wie genau Sardelli seinen Vivaldi studiert hat, wie sehr er sich an seinen Harmonien, Melodien und Rhythmen anlehnt. Es klingt so, als ob Vivaldi höchstpersönlich hie und da über die Schulter geschaut hätte und den einen oder anderen Rat gegeben hat (in Wirklichkeit ist es ja Sardelli, der Vivaldi quasi über die Schulter geschaut hat). Man ertappt sich immer dabei, dass man glaubt, ‚originale Versatzstücke‘ aus bekannten Vivaldi-Werken herauszuhören, speziell bei den Konzerten gibt es mehrere Déjà-Vu-Momente. Aber Sardelli ist viel zu kreativ, um sich schnöde ‚beim Meister etwas auszuborgen‘. Was man hört ist genuiner Sardelli, auch wenn die Illusion des Zitats mit Gewissheit beabsichtigt ist.
Wie originell können Barockkompositionen des 21. Jahrhunderts sein? Genauso wie alle anderen Barockkompositionen im 21. Jahrhundert. Die kompositorischen Paradigmen, an denen Sardelli sich hier orientiert, mögen von anderen zeitlich überholt worden sein, sie funktionieren aber offenbar immer noch, wenn man an den phänomenalen Erfolg barocker Komponisten in den heutigen Konzertsälen denkt. Oder um es bildhaft auszudrücken: Sardelli mag eine alte Handschrift benutzen, seine Werke sind jedoch aufregend neu. Denn anders als die überfleißigen Barockkomponisten, die ihre Werke oft ‚in Masse‘ herstellten, sind Sardellis Werke unüberhörbar durchdacht und sorgfältigst ausgearbeitet.
Das Ergebnis ist ein abwechslungsreiches und überaus unterhaltsames Barock-Album geworden, das wichtige Gattungen des Barocks streift (die geistliche Musik, das Concerto Grosso, das virtuose Solisten-Konzert und die Cembalomusik) und das unbedingt Lust auf mehr Musik vom ‚zeitgenössischen Barockkomponisten‘ Sardelli macht, gerne auch großformatiger.
Die CD Federico Maria Sardelli: Baroque Concertos · Psalm · Chamber Music des Ensembles Modo Antiquo unter der Leitung von Federico Maria Sardelli ist am 28. Juni 2013 auf Brilliant Classics (94749) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.
Weitere Infos zu Federico Maria Sardelli: Baroque Concertos · Psalm · Chamber Music sowie die komplette Tracklist findet man auf der englischsprachigen Produktseite:
http://www.brilliantclassics.com/release.aspx?id=FM00081757