Michel Cardin – Silvius Leopold Weiss: The Complete London Manuscript

Silvius Leopold Weiss - By Bartolomeo Folino (1730–after 1808), after Balthazar Denner (1685–1749). (Bibliothèque nationale de France) [Public domain]Silvius Leopold Weiss (1687–1750) gilt heute als wichtigster deutscher Komponist für Lautenmusik des Barocks. Der älteste Sohn des oberschlesischen Lauten- und Theorbenspielers Johann Jacob Weiss wurde, wie seine Geschwister Johann Sigismund und Juliana Margaretha, schon früh vom Vater unterrichtet. Im Laufe seiner langen Karriere entwickelte Silvius Leopold sich zum letzten bedeutenden Lauten-Virtuosen Europas. Mit über 600 Kompositionen hinterließ er ein beachtliches Vermächtnis. Der Ruhm Weiss’ zu Lebzeiten konnte den Niedergang der Laute allerdings nicht dauerhaft verhindern. Weiss’ Werke gerieten nach seinem Tod schnell in Vergessenheit, zumal sie zum Großteil lediglich als Manuskripte vorlagen. Erst im 20. Jahrhundert wurde sein Œuvre wiederentdeckt und gewürdigt.

Das sogenannte “Londoner Manuskript” ist seit 1877 im Besitz der British Library. Es enthält 26 Solo-Sonaten für Laute und weitere Solo- und Ensemble-Werke, die Silvius Leopold  Weiss  zwischen  1706  und  1730  komponierte  und  die  zu  Lebzeiten  nie veröffentlicht  wurden.  Der  Begriff  “Sonate”  ist  hier  allerdings  nicht  im  Sinne  der Sonatensatzform  der  Wiener  Klassik  zu  verstehen,  vielmehr  handelt  es  sich  hier  um barocke Suiten mit zumeist sechs Sätzen in Tanzform. Sie zeugen sowohl von Weiss’ virtuosen  Fähigkeiten  als  Musiker  als  auch  von  seiner  Experimentierfreudigkeit  als Komponist: Speziell in seinen späten Werken verwendete er immer wieder verminderte
Septime und enharmonische Wechsel um anspruchsvolle Harmonien zu erzeugen.

Michel Cardin – S. L. Weiss: The Complete London ManuscriptDer  kanadische  Lautenist  Michel  Cardin  hat  über  einen  Zeitraum  von  zwölf  Jahren  die Kompositionen  des  Londoner  Manuskripts  analysiert  und  zu  spielbaren  Fassungen rekonstruiert und editiert.  Neben  minutiöser  Quellenforschung  zog  er  für  seine  Arbeit  weitere Manuskripte  und  die  neuesten  Erkenntnisse  der  Forschung  zurate.  Cardin  betont allerdings, dass er in erster Linie Musiker ist und der musikwissenschaftliche Aspekt seiner Arbeit nicht zwingend notwendig ist, um Weiss’ unvergleichlich kunstvolle Lautenmusik zu genießen. Auf  den  letzten  beiden  CDs  der  Box  wird  Cardin  von  der  Barockflötistin Christiane Laflamme unterstützt, die bei der Rekonstruktion der Ensemblestücke für Laute und Flöte wertvolle Grundlagen beisteuern konnte.

Die Aufnahmen  entstanden  zwischen  1992  und  2004  im  kanadischen  Montréal  und erschienen zunächst separat beim Kleinstlabel SNE Records. Einige der Einzel-CDs sind längst ausverkauft  und  werden teilweise als  gebrauchte Tonträger  zu Fantasiepreisen angeboten. Cardins Aufnahmen gelten unter Kennern längst als Referenzaufnahmen. Die nun erscheinende Box schließt eine relevante diskografische Lücke und macht sie  breiteren Hörerschichten endlich zugänglich.

Das  Booklet  enthält  ausführliche  Anmerkungen  zum  Komponisten,  dem Londoner Manuskript sowie Künstlerbiografien. Eine erweiterte Fassung der Liner Notes kann auf der entsprechenden Produktseite auf der Homepage oder → hier heruntergeladen werden.

Musik & Interpretation
Klangqualität
Cover & Booklet

Die 12-CD-Box Silvius Leopold Weiss: The Complete London Manuscript von Michel Cardin ist am 16. Januar 2014 auf Brilliant Classics (95070) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

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