Kristóf Baráti & Klára Würtz: Ludwig van Beethoven – Complete Violin Sonatas

Ludwig van Beethoven (Gemälde von Karl Joseph Stieler, 1819)Eine Neuaufnahme der zehn Violinsonaten von Ludwig van Beethoven (1770-1827) ist heutzutage eigentlich nichts Besonderes mehr, im Gegenteil! Meiner Meinung nach gibt es viel zu viele Aufnahmen der zehn populären Sonaten: Ja, es gibt einige gute, aber es gibt auch zahlreiche mediokre Veröffentlichungen, die sich nicht lange am Markt durchsetzen können, weil sie nichts Neues, oder das Bekannte in nur mäßiger Umsetzung bieten. Doch es hilft alles nichts: Zumindest beim Publikum gelten die Violinsonaten Beethovens als so etwas wie das „Neue Testament“ (wenn man davon ausgeht, dass die Sonaten und Partiten für Violine solo von Bach (BWV 1001–1006) das „Alte Testament“ für die Violine sind), auch wenn es eigentlich Sonaten für Klavier und Violine (und eben nicht umgekehrt) sind: Am mit Abstand bekanntesten, am häufigsten aufgenommenen und aufgeführten Violinsonaten-Zyklus führt kaum ein Weg vorbei, wenn man sich als Violinist einen Namen beim Publikum machen will.

Kristóf Baráti & Klára Würtz: Ludwig van Beethoven - Complete Violn SonatasDie vor einigen Wochen bei Brilliant Classics erschienene Neueinspielung könnte sich bald schon zum Geheimtipp für Liebhaber der Sonaten (wie mich) entwickeln. Dafür gibt es einige Gründe: Mit dem Ungar Kristóf Baráti widmet sich einer der aufregendsten und technisch versiertesten Violinisten der jungen Generation den immergrünen Sonaten. Der 1. Preis beim Moskauer Paganini-Wettbewerb 2010 ist nur eine seiner zahlreichen Auszeichnungen. Begleitet wird Baráti von seiner Landsmännin Klára Würtz, die sich in der Vergangenheit mit zahlreichen hochgelobten Einspielungen des klassisch-romantischen Repertoires einen exzellenten Namen in der Pianisten-Szene erworben hat.

Violine - Foto: von Frinck51 - CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], Quelle: Wikimedia CommonsWer jetzt eine möglichst effektvolle, möglichst rasante, möglichst extrovertierte Aufnahme der Sonaten von den beiden Ungarn erwartet (schließlich gibt es ja auch genügend Klischees, die man da als Ungar bedienen könnte), der wird sich bei den Aufnahmen gehörig wundern. Zum einen rückt das Klavier deutlich weiter in den Vordergrund als man es von vielen anderen Einspielungen gewohnt ist, zum anderen musizieren die beiden mit einer unüberhörbaren Wiener Eleganz – und Zurückhaltung. Ihre technische Brillanz verleitet Baráti und Würtz nicht, unendlich aufs Tempo zu drücken, stattdessen nutzen sie ihre Fertigkeiten, um die schwierigsten Passagen präzise und mit bemerkenswerter Synchronizität (immerhin spielen die beiden zum ersten Mal miteinander ein Album ein) zu meistern. Die Sonaten wurden auf modernen Instrumenten gespielt, soll heißen: Kristóf Baráti spielt auf seiner ‚Lady Harmsworth‘-Stradivari von 1703 mit modernem Bogen und Stahlsaiten, Klára Würtz spielt auf einem modernen Konzertflügel, beide Musiker halten sich aber was Lautstärke und (im Falle des Klaviers) Resonanz und Legato-Spiel deutlich zurück, so dass man von einer »durchdachten, historisch-informierten Einspielung auf modernen Instrumenten« sprechen kann. Gerade das Klavier perlt lebhaft, fast wie ein echtes Fortepiano, hat aber den Vorteil eines insgesamt satteren, wärmeren Klangs. Statt einer unangebrachten Romantisierung (immer noch ein zu häufiger Fehler bei Beethoven-Interpretationen), überzeugenden die beiden ungarischen Ausnahmemusiker mit klassischer Eleganz und ausgeprägt tänzerischen Rhythmen. Und das ist der beste Dienst, den man diesen Sonaten erweisen kann, um sie stringent umzusetzen.

Das 16-seitige, englischsprachige Booklet informiert ausführlich und fachkundig über die zehn Sonaten und enthält außerdem Biografien von Kristóf Baráti und Klára Würtz. Die Aufnahmen, die zwischen November 2011 und Februar 2012 in der Franz-Liszt-Halle der Universität von Pécs (Ungarn) entstanden, haben ein warmes, intimes, kammermusikalisches Klangbild (im wahrsten Sinne des Wortes ‚Kammer‘ = also ein kleiner Raum mit nur begrenztem Hall), der den klassisch-eleganten Ansatz der Interpretation mustergültig umsetzt.

Fazit: Eine durchdachte, stringent umgesetzte, technisch brillante Gesamteinspielung der Violinsonaten Beethovens auf modernen Instrumenten, die dennoch Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis berücksichtigt. Nicht nur wegen des günstigen Preises ist diese 4-CD-Box eine überaus empfehlenswerte Wahl für den Neuling, aber auch Beethoven-Fans sollten sich diese Einspielung nicht entgehen lassen: Von diesen beiden Musikern möchte man in Zukunft mehr Beethoven hören!

Musik & Interpretation
Klangqualität
Cover & Booklet

Die 4-CD-Box Ludwig van Beethoven – Complete Violin Sonatas von Kristóf Baráti & Klára Würtz ist am 31. August 2012 bei Brilliant Classics (94310) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

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