Das spanische Reich des letzten Habsburger Königs Philipp IV war – bevor es durch den dreißigjährigen Krieg zerfallen sollte – eine europäische Großmacht ersten Ranges. Neben dem Kernland der iberischen Halbinsel mit Spanien und Portugal gehörten auch die Königreiche Sizilien, Sardinien, Mailand, das Burgund und Spanische Niederlande (auf Gebieten der heutigen Niederlande, aber auch Belgien, Luxemburg und Deutschland) zum Weltreich. Während sich das Gebilde als politisch instabil erweisen sollte (zumal Spanien sich als Speerspitze des Katholizismus sah, den sie in ganz Europa wieder zur einzigen Religion machen wollte), war die Blütezeit der spanischen Krone ein Glücksfall für die Kunst: Am spanischen Hof tummelten sich die talentiertesten Künstler des gesamten Reiches; die höfische Musik des Madrider Hofes verbreitete sich durch das gesamte Herrschaftsgebiet.
Das niederländische Originalinstrumente-Ensemble Cordevento, bestehend aus Izhar Elias (Barockgitarre), Alessandro Pianu (Cembalo und Orgel) und dem auch als Solisten bekannten Erik Bosgraaf (Blockflöte), hat mit seinen bisherigen Veröffentlichungen bei Presse und Publikum einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Nach den CDs mit Blockflötenkonzerten von Vivaldi (Brilliant Classics 93804) und Bach (Brilliant Classics 94296, s. dazu auch → diese Besprechung) erscheint nun mit “La Monarcha” ein Album, auf dem sie Tänze und Melodien des 17. Jahrhunderts aus diesem spanischen Herrschaftsgebiet zusammengestellt haben.
Auf authentischen Instrumenten spielen die drei Musiker Werke von Komponisten wie Gaspar Sanz (1640-1710), Santiago de Murcia (1673-1739), Francesco Corbetta (ca. 1615-1681), Antonio de Cabezón (1510-1566), Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621), Andrea Falconieri (1585/6-1656), Jacob van Eyck (1590-1657). Dabei legen sie besonderes Augenmerk auf die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Stilrichtungen aus Spanien, Italien, Frankreich und den nördlichsten Provinzen des spanischen Reiches.
Was akademisch und vielleicht sogar ein wenig angestaubt klingt, erweist sich als überaus abwechslungsreiche und verspielte Produktion: Das niederländische Trio trifft bei seinen Interpretationen den richtigen Ton und findet eine angenehme Balance zwischen tänzerischer Ungezwungenheit, höfischer Eleganz und technischer Souveränität. Vor allem der brillante Erik Bosgraaf, dem Solisten der meisten Stücke auf La Monarcha, gelingt es, mit seinem flinken, federleichten Spiel die Faszination dieser untergegangenen Epoche wiederzubeleben. Aber auch Alessandro Pianu und Izhar Elias an der Barockgitarre können bei einigen Solostücken ihre bemerkenswerten Spielfertigkeiten unter Beweis stellen.
Fazit: Eine abwechslungsreiche musikalische Zeitreise in die europäische Renaissance: Unverkrampft, verspielt, aber dennoch akademisch akurat.
Die CD La Monarcha – 17th Century music from the Spanish territories des Ensembles Cordevento ist am 31. August 2012 auf Brilliant Classics (94352) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.
Inhalt:
- Andrea Falconieri – Corriente dicha la Cuella
- Andrea Falconieri – La Suave Melodia
- Andrea Falconieri – Il Rosso, brando
- Francesco Corbetta – Sinfonia a due
- Santiago de Murcia – Tarantelas
- Bartolomé de Selma y Salaverde – Canzon terza
- Pieter de Vois – Pavane de Spanje
- Jan Pieterszoon Sweelinck – Pavana hispanica
- Andrea Falconieri – Corrente dicha l’Avellina
- Andrea Falconieri – Il Spiritillo, brando
- Andrea Falconieri – Alemana dicha Villega
- Francesco Corbetta – Follie in G.sol.re.ut
- Andrea Falconieri – La Monarcha
- Bernardo Storace – Follia
- Bartolomé de Selma y Salaverde – Corrente
- Jacob van Eyck – Repicavan
- Bartolomé de Selma y Salaverde – Canzon seconda
- Antonio de Cabezón – Diferencias sobre la pavana italiana
- Gaspar Sanz – La Esfachata de Napoles
- Gaspar Sanz – La Cavalleria de Napoles, con dos clarines
- Andrea Falconieri – La Benedetta
- Andrea Falconieri – La Prudenza, corrente
- Andrea Falconieri – Corriente dicha la Mota
- Andrea Falconieri – Brando dicho el Melo
- Girolamo Montesardo / Carlo Calvi – Pavaniglia