Dmitri Shostakovich (1906-1975) widmete seine beiden Cellokonzerte No. 1 in Es- Dur, op. 107 (1959) und No. 2 in g-Moll, op. 126 (1966) seinem Freund und Schüler Mstislav Rostropovich, der sie uraufführte, als erster im Tonstudio aufnahm und sie zeit seines Lebens zahlreiche Male bei Konzerten spielte. Sein Name ist untrennbar mit diesen beiden insgesamt recht unterschiedlichen, aber gleichermaßen eindringlichen Werken verbunden. Heißt das, dass nur Rostropovichs Aufnahme als Referenz herhalten, dass alle anderen Interpretationen, die ihnen folgten nur ‚zweite Wahl‘ sind? Wohl kaum, Shostakovichs Musik ermöglicht in ihrer Vielschichtigkeit und Emotionalität auch anderen Interpreten einen eigenen Zugang zu den Werken. Andernfalls wären es kaum zwei der meistgespielten Cellokonzerte des 20. Jahrhunderts geworden …
Beide Cellokonzerte gehören zu den Schlüsselwerken in seinem Œuvre: Das erste Konzert verwendet gleich im ersten Satz das berühmte D-S-C-H-Motiv, eine Art Personalisierung mit seinen Initialen. Das zweite Konzert läutet mit seiner ungewöhnlichen Tonsprache stilistisch Shostakovichs Spätwerk ein: Gezeichnet von zunehmenden gesundheitlichen Problemen begann er mit diesem Konzert erstmalig seine Klangsprache auf nahezu asketische Art zu reduzieren.
Der russische Cellist Alexander Ivashkin nahm 1997 die Cellokonzerte gemeinsam mit den Moskauer Sinfonikern unter Valery Polyansky auf. Diese ‚rein russischen‘ Aufnahmen gelten seit ihrer Erstveröffentlichung auf dem neuseeländischen (!) Label Ode Records als kompetente und authentische Umsetzungen, die sowohl technisch, als auch interpretatorisch den Vorstellungen Shostakovichs entsprechen.
Ivashkin gelingt es, die gesamte Dramatik der Konzert lebhaft und eindringlich umzusetzen, unterstützt von den Moskauer Symphonikern, die seinem dramatischen (aber nicht überzogenen) Spiel beseelt folgen. Man verstehe mich nicht falsch: Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass Shostakovichs Musik auch ein universales Moment hat, das von Musikern der ganzen Welt erfasst werden kann (anders wäre sein universeller Erfolg wohl auch kaum fassbar), aber die Intensität, mit der Ivashkin und seine Mitstreiter die Musik umsetzen, lässt sofort Erinnerungen an Rostropovichs aufwühlende Einspielungen dieser Konzerte wach werden. Man muss kein Russe sein, um diese Musik verstehen zu können, aber es hilft unüberhörbar, wenn man mit denselben Widersprüchen im System aufgewachsen ist, unter denen Shostakovich zeit seines Lebens litt. Freilich: Shostakovichs Konzerte sind weitaus mehr als nur aufgearbeitete Zeitgeschichte …
Es gibt viele gute Aufnahmen der Cellokonzerte Shostakovichs. Er, der talentierte Pianist, der lange auf eine Karriere als Virtuose hoffen konnte, hatte – bestimmt auch durch den regen Austausch mit seinem Freund Rostropovich – ein besonderes Gespür für das Cello entwickelt. Nicht nur das Publikum liebt diese Konzerte, auch die Musiker haben einen besonderen Bezug dazu entwickelt. Ivashkins Deutungen sind ein eindrucksvoller Beleg für eine intensive Beschäftigung und Identifikation mit zwei Meisterwerken des 20. Jahrhunderts. Eine CD, die jeder Shostakovich-Fan gehört haben sollte, auch wenn es Einspielungen mit deutlich klangvolleren Namen gibt. Sehr empfehlenswert.
Die CD Dmitri Shostakovich: Cello Concertos von Alexander Ivashkin mit dem Moscow Symphony Orchestra unter der Leitung von Valery Polyansky ist am 28. Juni 2013 auf Brilliant Classics (9413) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.