Anders als die meisten Kollegen seiner Zeit begann der italienische Komponist Tomaso Albinoni (1671–1751) seine Karriere als ‘dilettante’ (zu Deutsch: Amateur). Im Hauptberuf arbeitete er zunächst in der väterlichen Papierwaren- und Spielkartenmanufaktur (Spielkarten waren damals ein beliebter Gebrauchsgegenstand). Erst nach dem Tod des Vaters widmete er sich ganz der Musik. Das Unternehmen wurde zwischen den drei Söhnen aufgeteilt und ging bald darauf bankrott. Die Tomaso zustehenden Einkünfte aus dem Unternehmen fielen weg, doch glücklicherweise hatte er sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen guten Namen als Komponist von zahlreichen Opern, Kantaten und eleganter Instrumentalmusik gemacht.
Die vorliegende Doppel-CD fasst die zwölf “Trattenimenti armonici per camera” op. 6 (ca. 1711) Albinonis zusammen. Die zwölf Sonaten offenbaren in den auffallend kantablen Solostimmen für Violine Albinonis profunde Erfahrungen mit der Oper. Anders als bei seinen venezianischen Zeitgenossen Vivaldi steht nicht das virtuose Spiel im Vordergrund, Albinonis Kompositionen zeichnen sich durch eine ausgewogene Mäßigung im Sinne Corellis aus. Wie die meisten seiner Werke, sind diese Sonaten von heiterer Grundstimmung und zeichnen sich durch lange Melodiebögen und durch eine formale Gleichmäßigkeit aus, Albinoni war kein Erneuerer oder gar Rebell der venezianischen Musik, wohl aber ein kunstfertiger Handwerker mit Sinn für Schönheit und Balance.
Auf der Produktion debütiert das historisch-informierte Zero Emission Baroque Orchestra aus Italien, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, mit dem kleinstmöglichen Einfluss auf die Umwelt zu arbeiten und somit seine kulturelle Aktivität mit einer ethischen Botschaft zu verknüpfen. Der anfallende CO²-Ausstoß wird durch nachhaltige Klimaschutzprojekte kompensiert.
Freilich: Der ethisch Ansatz des Ensembles ist per se aller Ehren wert, wäre aber ohne entsprechende musikalische Qualitäten nicht mehr als nur eine (löbliche) Manifestation im ganzheitlichen Zeitgeist. Glücklicherweise erweist sich das ZEBO als überaus harmonisches, gut aufeinander eingestimmtes Ensemble mit einem bemerkenswert angenehmen Klang, der sich als äußerst geeignet für Albinonis Kleinode herausstellt. Extreme Tempi und schroffe Modi-Wechsel sind ihrer Sache nicht, stattdessen kultiviert das italienische Ensemble einen spielerischen, leichten und tänzerischen Klang, ganz im Sinne des um Balance und Schönheit bemühten Komponisten.
Fazit: Mit der Einspielung der „Trattenimenti armonici“ gelingt dem Zero Emission Baroque Orchestra gleich ein bemerkenswerter diskografischer Einstieg, der sowohl die klanglich bemerkenswert harmonische Ensemble-Leistung, als auch den kompositorischen Qualitäten Albinonis gerecht wird. Wer mit dem italienischen Barock lediglich die virtuose Musik Vivaldis verbindet, der wird sein ‚musikalisches Weltbild‘ mit der vorliegenden Doppel-CD ein Stück weit gerade rücken können. Man darf sich bereits jetzt auf die folgenden Produktionen des ZEBO freuen.
Die Doppel-CD Tomaso Albinoni: Trattenimenti Armonici Op. 6 des Zero Emission Baroque Orchestra unter der Leitung von Carlo Centemeri ist am 4. April 2014 auf Brilliant Classics (94852) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.