Wenig ist über den venezianischen Komponisten Marco Dall’Aquila (ca. 1480 – nach 1538) bekannt. Immerhin: In Briefen seiner Zeitgenossen wurde er als ausgezeichneter Lautenist und als Theoretiker gelobt: 1505 erschien seine Abhandlung “Tabullatura et rasone de metter ogni canto in liuto”, in der er eine Drucktechnik zum Übertragen jeglicher Kompositionen in Tabulatur (der damals üblichen Notation) für die Laute erklärt. Leider ist kein einziges Beispiel dieser (angeblich) revolutionären Drucktechnik erhalten …

Marco Dall’Aquilas Werke entstand im Übergang zweier Traditionen auf der Laute: Ende des 15. Jahrhunderts war das Verwenden eines Plektrums eine noch durchaus übliche Praxis, kurz darauf, mit dem Aufkommen der Polyphonie, setzte sich das gleichzeitige Zupfen mehrerer Saiten durch. Dall’Aquilas Musik dokumentiert den Übergang zwischen diesen grundverschiedenen Spieltechniken, gleichzeitig spiegelt sie die Emanzipation der Renaissance-Musik vom Erbe des Mittelalters wider. Dall’Aquilas Musik vereint in sich die eigentlich entgegengesetzten Konzepte von schlichten Volksliedern, bei denen die eingängige Melodie im Vordergrund steht mit komplexen Ricercaren, die eine ausgezeichnete Zupftechnik benötigen.

Der vielfach ausgezeichnete italienische Renaissance-Experte und Lautenist Sandro Volta hat für die vorliegende CD eine Reihe von Ricercaren, Fantasien und Tänzen auf einer sechschörigen Laute eingespielt, darunter einige Weltersteinspielungen. Sandro Volta schafft es, dem heterogenen Programm Dall’Aquilas einen übergeordneten Charakter zuzuweisen. Egal ob Volkslied oder polyphones Virtuosenstück, die hier zusammengefassten Werke Dall’Aquilas  klingt wie aus einem Guss. Immer wieder faszinierend dabei ist einerseits, wie nah die schlichtesten Renaissance-Melodien der heutigen (Populär-) Musik zu stehen scheinen und wie andererseits die komplexe Polyphonie der Renaissance schon auf die Kontrapunktik des Barocks zu verweisen scheint.  Das abwechslungsreiche Programm und die blitzsaubere, aber angenehm unaufdringliche Technik Voltas, sowohl mit dem Plektrum als auch (und gerade) beim Zupfen, machen aus der CD ein wirklich kurzweiliges und anspruchsvolles Hörvergnügen, nicht nur für Spezialisten und Lautenliebhaber.

Die CD Marco Dall’Aquila: Music for Lute von Sandro Volta ist am 21. Februar 2014 auf Brilliant Classics (94805) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.