Man mag es heute kaum glauben, aber im 16. Jahrhundert, dem goldenen Zeitalter der spanischen Renaissance, war ausgerechnet die Gitarre, heute so etwas wie das Nationalinstrument Spaniens, ein eher wenig beachtetes und teilweise sogar regelrecht verrufenes Instrument, zumindest bei den Komponisten. Während die Barockgitarre, direkter Vorgänger unserer heutigen klassischen Gitarre, (vermutlich) aus Spanien ihren Siegeszug in Europa begann und vor allem in Italien schnell an Popularität gewann, konkurrierte sie in ihrer ‚Heimat‘ lange Zeit mit ihrem direkten Vorläufer, der Vihuela, einem sechs- oder siebensaitgen Zupfinstrument. Mehrere Komponisten-Generationen am kulturell dominierenden spanischen Hof, darunter so bedeutende Komponisten wie Enríquez de Valderrábano (ca. 1500-1557), Francisco Guerrero (1528-1599), der Italiener Joan Ambrosio Dalza (Mitte 15. Jhrhdt. – 1508), der Franko-Flame Nicolas Gombert (ca. 1495-1560) und Tomás Luis de Victoria (ca. 1548-1611) komponierten entweder direkt für die Vihuela oder ihre Werke wurden von den Vihuela-Virtuosen der Epoche, ganz nach dem Usus jener Zeit, für ihr Instrument arrangiert, nicht selten für zwei (unterschiedliche) Vihuelas.
2007 gründeten Jesús Sánchez und Manuel Minguillón Nieto das Vihuela-Duo Delitiae Musicae mit dem Ziel, die Tradition der Musik der spanischen Renaissance so originalgetreu wie möglich lebendig zu machen. In der Vergangenheit hat das Duo mit erstklassigen Alte-Musik-Ensembles wie den Tallis Scholars, den Kings Singers oder dem Monteverdi Chor zusammengearbeitet und bei renommierten Plattenfirmen wie K617, Glissando, Signum Records veröffentlicht.
Auf ihrem Debütalbum für Brilliant Classics Adios mi amor haben die beiden 25 Vihuela-Duette aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen: Weltliche Kompositionen wie das berühmte O guardame las vacas von Alonso de Mudarra (ca. 1510-1580), aber auch geistliche Werke wie Et in Spiritum Sanctum von Cristóbal de Morales (ca. 1500-1553). Wichtig war dem Duo bei ihrer Umsetzung die in der Renaissance übliche Technik der Improvisation in die Interpretationen einfließen zu lassen und eine werksnahe Rekonstruktion des ’nicht verschrifteten Materials‘ zu gewährleisten.
Das Ergebnis ist ein in seiner Schlichtheit betörend schönes Album mit Renaissance-Musik geworden, eine CD, die den Zauber der vergangenen Epoche offenbart und gleichzeitig die Zeitlosigkeit dieser Werke und Melodien belegt. Vieler der hier zusammengetragenen Werke kennt man von anderen Aufnahmen und Künstlern, dann meistens auf (modernen oder historischen) Gitarren gespielt. Adios mi amor präsentiert diese vertrauten Werke erfreulicherweise mit jenem edlen Klang der Vihuelas, der zur Entstehungszeit dieser Kompositionen üblich war.
Die CD Adios mi amor – Duets for vihuelas des Duetts Delitiae Musicae ist am 28. Dezember 2011 auf Brilliant Classics (94302) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.
Inhalt:
- F. Guerrero – Si tus penas no pruebo
- F. Guerrero – Niño Dios d’amor herido
- F. Guerrero – Adios mi amor
- F. Guerrero – Huyd, huyd, o çiegos amadores
- F. Guerrero – Todos aman
- G. de Morlaye – Gaillarde
- A. de Mudarra – Romanesca: O guardame las vacas
- G. de Morlaye – Conte Clare
- T. L. de Victoria – O Magnum Mysterium
- N. Gombert – Assiste parata
- J. A. Dalza – Tastar de corde
- J. A. Dalza – Caldibi castigliano
- J. A. Dalza – Calata ala spagnola
- J. A. Dalza – Calata ala spagnola ditto terzetti
- J. des Prez – Mille regretz
- L. de Narváez – Mille regretz
- C. de Morales – Et in Spiritum Sanctum
- Lopez – Fantasia de Lopez
- Mendoza – Diez diferencias de Folias
- Anonymous – Tiento
- Anonymous – Recercata
- Anonymous – Folías en primer tono
- E.de Valderrábano – Música para discantar sobre un punto
- E.de Valderrábano – Sobre el tenor del conde claros
- Anonymous – Diferencias de çaravanda