Meine musikalische Karriere als Klassikhörer begann vor über 30 Jahren, als ich gerade einmal in der 5. Klasse zum ersten Mal in meinem Leben Musikunterricht hatte, mit Ludwig van Beethoven (1770-1827), genauer gesagt mit jenem berühmten Anfangsmotiv der Sinfonie No. 5 in c-Moll, op. 67 (G – G – G – Es). Die vier Töne schlugen mich in ihren Bann. Was für Musik steckt hinter solch einer gewaltigen Ankündigung? Seit jenen ersten Gehversuchen, bei denen ich mich mit meinem Taschengeld in die Klassik-Abteilung des hiesigen großen Plattenladen traute, um mir eine preisgünstige LP eben jener Sinfonie zu kaufen (damals entschied allein der Preis und vielleicht noch das Cover meine Auswahl), sind viele Jahre vergangen. Die Sinfonien von Ludwig van Beethoven haben mich nie wieder losgelassen: Nach der Fünften folgte die Neunte, dann die Eroica, dann die Pastorale, dann die anderen Sinfonien Beethoven, später dann seine Klavierkonzerte, seine Streichquartette usw. Heute nimmt die Beethoven-Abteilung meiner CD-Sammlung den größten Raum ein. Neben der von mir sehr geschätzten Beethoven Complete Edition stehen noch unzählige Einzelaufnahmen, darunter insgesamt fünf Gesamtaufnahmen seiner Sinfonien im Regal – und das sind nur die Aufnahmen, die ich behalten habe.
In meiner CD-Sammler-Karriere werde ich weit ber ein Dutzend Gesamtaufnahmen (und unzählige Einzel-CDs ausgewählter Sinfonien Beethovens) besessen haben. Die meisten konnten mich, bei aller Begeisterung für die Musik, nicht ganz überzeugen: Das Orchester war meist zu unpräzise, die Sinfonien waren mal zu schnell, mal zu langsam dirigiert, mal wurden sie zu vordergründig aufgenommen, so dass die Nebenthemen untergingen. Die Klangqualität war mir oft zu schlecht oder manchmal zu poliert; die Aufnahmen auf Originalinstrumenten waren meist zu ausdruckslos, zu kraftlos, zu konstruiert, die Aufnahmen auf modernen Instrumenten wirkten oft aufgebläht und romantisiert, kurzum: Es gibt viele Gesamtaufnahmen, die ich gehört habe, aber nur wenige konnten mich auf Lange Sicht überzeugen. Ich habe mittlerweile meine Beethoven-Sinfonien zusammen, eine Aufnahme für jeden Anlass, für jede Stimmungslage sozusagen und trotzdem kann ich auch heute kaum widerstehen, wenn eine neue Gesamtaufnahme erscheint zumindest mal die Nase reinzustecken, pardon die Ohren aufzusperren. Etwas Neues höre ich freilich nicht mehr wirklich: Das Rad ist längst schon erfunden worden und es gibt wohl nur noch wenig Aspekte, die man diesen Sinfonien abgewinnen kann, die nicht schon ein anderer zuvor ebenfalls ausgearbeitet hat.
Zu den „Konstanten“ in meiner persönlichen Auswahl an Beethoven-Sinfonien-Gesamteinspielungen gehört mit Sicherheit der legendäre Zyklus der Staatskapelle Dresden unter Herbert Blomstedt, ursprünglich zwischen 1975 und 1980 für das DDR-Label Eterna aufgenommen. Blomstedts Beethoven-Einspielungen galten als klanglicher und künstlerischer Höhepunkt im Katalog der Plattenfirma und als die ostdeutsche Referenzaufnahme der Sinfonien, sozusagen der Gegenentwurf zu Karajans 1960er-Zyklus für Deutsche Grammophon.
Karajans Ruhm ist in den letzten Jahren merklich verblasst (wenngleich es unbestritten bleibt, dass er mit seinen beiden frühen Gesamteinspielungen in den 1950ern und 1960ern Großes geleistet hat); Herbert Blomstedts Zyklus kann heute, frei von allen ideologischen Assoziationen, die man früher gerne mit ostdeutschen Aufnahmen verbinden wollte, als eine der kohärentesten Gesamteinspielungen auf modernen Instrumenten überzeugen. Mag sein, dass der schwedisch-amerikanische Dirigent Herbert Blomstedt in der öffentlichen Wahrnehmung des Westens sich nie ganz in den Vordergrund drängen konnte, seine Beethoven-Aufnahmen gelten unter Kennern allerdings auch heute noch als Referenz, an der man andere Zyklen messen kann, sowohl klanglich, als auch interpretatorisch. Blomstedts Beethoven ist kraftvoll, dynamisch nuanciert, präzise in der Ausführung und strahlt ganz ohne romantische Sentimentalitäten.
Bei Brilliant Classics gibt es nun diesen wirklich phänomenalen Beethoven-Zyklus endlich wieder in einer schmucken, überaus preiswerten Box (die Box war 2001 bei der Erstveröffentlichung ein echter Renner). Wer noch keinen Beethoven-Sinfonien-Zyklus hat, der kann sich hiermit getrost eine exzellente Gesamteinspielung zulegen; wer schon eine Gesamteinspielung besitzt, kann hier ebenfalls zugreifen: Blomstedts Lesart Beethovens hält auch heute noch jeden Vergleich stand.
Aus Preisgründen wurde auch bei dieser Neuauflage auf ein Booklet verzichtet, alle diskografischen Angaben zu Aufnahmedatum und -Ort finden sich allerdings auf den CD-Hüllen.
Die 5-CD-Box Beethoven – IX Symphonies mit Aufnahmen der Staatskapelle Dresden unter Herbert Blomstedt ist am 27. April 2012 auf Brilliant Classics (94289) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.