Berliner Sinfonie-Orchester, Kurt Sanderling et al. – Jean Sibelius: Complete Symphonies and Tone Poems

Jean SibeliusNoch zu Lebzeiten wurde Jean Sibelius (1865-1957) von der Kritik teilweise als ‘rückwärtsgewandter’ und ‘trivialer’ Komponist regelrecht diffamiert. So schrieb etwa Theodor W. Adorno in seiner berühmten „Glosse über Sibelius“ (1939) von »völlig unplastischen und trivialen Tonfolgen« und etwas weiter unten: »… sie [die Tonfolgen] dienen der Verklärung einer Welt, an der nichts mehr zu verklären ist, und keine Musik hat mehr den Anspruch, geschrieben zu werden, die nicht den kritischen Angriff aufs Bestehende bis in die innersten Zellen ihres technischen Verfahrens vortrüge.« Adornos unbedingter Glaube an das Moderne in der Musik (in seinem Fall an die Schönbergsche Schule) sollten von der Zeit relativiert werden. Heute gilt der Begründer der finnischen Nationalmusik als einer der bedeutendsten und beliebtesten Sinfoniker des 20. Jahrhunderts. Seine von der Mythologie des finnischen Nationalepos „Kalevala“ beeinflussten Kompositionen erweisen sich als zeitlose Meisterwerke, Adornos ätzende Kritik hingegen wirkt engstirnig und überholt.

Berliner Sinfonie-Orchester, Kurt Sanderling et al. - Jean Sibelius: Complete Symphonies and Tone PoemsDie vorliegende 7-CD-Box fasst die legendäre Gesamtaufnahme der Sibelius-Sinfonien des Berliner Sinfonie-Orchesters unter Kurt Sanderling zusammen, die seit ihrer Erstveröffentlichung zu den besten Gesamtaufnahmen auf dem Markt gezählt werden – gemeinsam mit den Einspielungen von Berglund, Bernstein und Blomstedt. Die Stärke dieses Sibelius-Zyklus ist seine innere Stimmigkeit und Geschlossenheit sowie der scharfsinnige, nicht überromantisierende Ansatz Sanderlings; romantisch ist die Musik ohnehin genug, Sanderling beschränkt sich auf das Darstellen, nicht das Herausstellen dieser Merkmale. Seine unprätentiöse Herangehensweise fördert Details der Sinfonien zutage, die bei anderen Einspielungen im weichen Wohlklang völlig untergehen. Die Aufnahmen entstanden in den 1970er Jahren ursprünglich für das DDR-Staatslabel Eterna und zeichnen sich durch einen exzellenten warmen, aber nicht verwischenden Klang aus.
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»Georg Friedrich Händel: Jephtha« im Klassikblog “Ouverture” besprochen

RIAS Kammerchor · Akademie für Alte Musik Berlin, Marcus Creed - Georg Friedrich Händel: JephthaGeorg Friedrich Händel (1685-1759) schrieb insgesamt 25 Oratorien (und nicht nur den „Messiah“), die zu Lebzeiten fast ausnahmslos erfolgreich waren, auch wenn ihr Ruhm nach Händels Tod verblasste. Jephtha ist Händels letztes neu geschriebenes Oratorium und zeichnet sich durch alle typischen Stilmerkmale des reifen Komponisten aus.

1992 nahm der englische Dirigent Marcus Creed das Oratorium mit dem hervorragenden RIAS Kammerchor und dem weltweit renommierten Originalinstrumente-Ensemble der Akademie für Alte Musik Berlin und einer Reihe erstklassiger Sänger – John Mark Ainsley (Tenor), Michael George (Bassbariton), Catherine Denley (Mezzosopran), Christiane Oelze (Sopran), Axel Köhler (Countertenor) – für Berlin Classics auf.
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Alexander Ivashkin · Moscow Symphony Orchestra, Valery Polyansky – Dmitri Shostakovich: Cello Concertos

Dmitri ShostakovichDmitri Shostakovich (1906-1975) widmete seine beiden Cellokonzerte No. 1 in Es- Dur, op. 107 (1959) und No. 2 in g-Moll, op. 126 (1966) seinem Freund und Schüler Mstislav Rostropovich, der sie uraufführte, als erster im Tonstudio aufnahm und sie zeit seines Lebens zahlreiche Male bei Konzerten spielte. Sein Name ist untrennbar mit diesen beiden insgesamt recht unterschiedlichen, aber gleichermaßen eindringlichen Werken verbunden. Heißt das, dass nur Rostropovichs Aufnahme als Referenz herhalten, dass alle anderen Interpretationen, die ihnen folgten nur ‚zweite Wahl‘ sind? Wohl kaum, Shostakovichs Musik ermöglicht in ihrer Vielschichtigkeit und Emotionalität auch anderen Interpreten einen eigenen Zugang zu den Werken. Andernfalls wären es kaum zwei der meistgespielten Cellokonzerte des 20. Jahrhunderts geworden …
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Austro-Hungarian Haydn Orchestra, Ádám Fischer – Joseph Haydn: 12 London Symphonies (Nos. 93 – 104)

Joseph HaydnNach heutigem Kenntnisstand schrieb Joseph Haydn (1732-1809) nicht weniger als 107 Sinfonien. Er wird deswegen mit einiger Berechtigung als „Vater der klassischen Sinfonie“ bezeichnet. Wenngleich Haydn die Sinfonie in ihrer klassischen Form nicht (alleine) erfunden hat, auch Mozarts Sinfonien hatten einen starken Einfluss auf die Gattung, so hat er sie maßgeblich geprägt und sie in ganz Europa popularisiert. Mehr noch: Durch seine lebenslange Beschäftigung mit der Sinfonie hat er sie quantitativ und qualitativ zur ‚Königsdisziplin‘ der Instrumentalmusik gemacht, an der quasi kein Komponist nach ihm vorbei kam (was nicht immer glücklich endete). Ohne Haydns Pionierleistungen wären die Sinfonien Beethovens, Mendelssohns, Schumanns, Brahms‘, Bruckners, Mahlers usw. nicht vorstellbar.
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Various Composers – Awake, sweet love: An Anthology of Lute Music

Wartburg-LauteDie Geschichte der Laute ist lang und abwechslungsreich: In der Renaissance galt die Laute als “Königin der Instrumente”, im Barock nahm ihre Bedeutung als Solo-Instrument zunehmend ab und wurde als Begleitinstrument von anderen Saiteninstrumenten wie der Theorbe ersetzt, bis die Gitarre sie im 19. Jahrhundert vollends verdrängte. Vergessen wurde die Laute dennoch nicht. Auch wenn es heute quasi keine zeitgenössischen Kompositionen mehr für die Laute geben mag, so ist sie im Zuge der Originalklang-Bewegung und der ungebrochenen Beliebtheit des Repertoires für Laute ein zwar exotisches, aber nicht unbekanntes Instrument
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Staatskapelle Berlin, Otmar Suitner | Janáček Philharmonic Orchestra, Theodore Kuchar | Royal Philharmonic Orchestra, John Farrer – Antonín Dvořák: Complete Symphonies · Slavonic Dances · Overtures · Symphonic Poems

Antonín DvořákAntonín Dvořák (1841-1904) ist heutzutage einer der populärsten böhmischen Komponisten. Seine beschwingte Kammermusik, seine sinnlichen Konzerte für Violine und Cello und vor allem seine pittoreske, melodische und kraftvolle Sinfonie No. 9 „aus der neuen Welt“ (oder “Symfonie Z nového světa”, so der tschechische Originaltitel) – sind Dauerbrenner in den Konzertsälen und Diskografien. Aber so sehr Dvořák heute im Konzertbetrieb auf drei, vier Werke reduziert wird, so hochkarätig ist sein gesamtes Œuvre, das – bis auf wenige Ausnahmen eben – außerhalb seiner Heimat trotzdem oftmals unbeachtet bleibt. Das gilt auch (und im besonderen Maße) für die acht Sinfonien vor der berühmten Neunten …

Staatskapelle Berlin, Otmar Suitner u.a. - Antonín Dvořák: Complete Symphonies · Slavonic Dances · Overtures · Symphonic PoemsDie nun bei Brilliant Classics erscheinende 9-CD-Sammelbox fasst sämtliche Sinfonien Dvořáks in den hervorragenden Eterna-Aufnahmen der Staatskapelle Berlin unter der kompetenten Leitung von Otmar Suitner zusammen. Sie entstanden zwischen 1979 und 1983 und sind seitdem nicht mehr aus den Plattenregalen wegzudenken.

Suitners Zyklus zeichnet sich bei aller Lebhaftigkeit und Wärme durch das konsequente Vermeiden romantisierender Überzeichungen aus. Das Ergebnis ist eine bemerkenswert farbenfrohe, facettenreiche und unkitschige Lesart Dvořáks, der hier in (nahezu) klassischem Glanz erstrahlt: Das hier ist echtes Böhmen, keine sentimentale Karikatur aus westlicher Sicht.

Sinnvoll ergänzt wird die Box durch die beiden Zyklen der „Slawischen Tänze“, opp. 46 & 72 in der gelungenen Aufnahme des Royal Philharmonic Orchestra unter John Farrer (1989 ursprünglich beim englischen ASV-Label erschienen) sowie durch die überzeugenden Aufnahmen der nahezu aller Ouvertüren und sämtlicher sinfonischen Dichtungen Dvořáks, die das Janáček Philharmonic Orchestra unter Theodore Kuchar 2004 für Brilliant Classics einspielte.

Fazit: In dieser 9-CD-Box sind bekannte und weniger bekannte Highlights Dvořáks zusammengefasst. Das Interpretationsniveau ist sehr hoch, die Klangqualität der Aufnahmen, auch der älteren analogen DDR-Aufnahmen, ist überraschend gut. Wer die Sinfonie aus der neuen Welt liebt, der wird mit dieser Box noch viele weitere Highlights entdecken können.

Musik & Interpretation
Klangqualität
Cover & Booklet

Die 9-CD-Box Antonín Dvořák: Complete Symphonies · Slavonic Dances · Overtures · Symphonic Poems mit Aufnahmen der Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Otmar Suitner, des Janáček Philharmonic Orchestra unter Theodore Kuchar und des Royal Philharmonic Orchestra unter John Farrer ist am 17. Mai 2013 auf Brilliant Classics (94671) erschienen und kann im Fachhandel erworben oder bei großen Buch- und CD-Versendern wie → amazon.de und → jpc.de (Links öffnen die jeweilige Produktseite) bestellt werden.

Suske Quartett – Ludwig van Beethoven: Complete String Quartets

Ludwig van Beethoven - 1805 Portrait von Joseph Willibrord Mähler.Neben seinen neun Sinfonien und den 32 Klaviersonaten gehören die 16 Streichquartette zum Hauptwerk von Ludwig van Beethoven (1770-1827), das folgende Generationen nachhaltig beeinflusst hat. Die Streichquartette sind darüber hinaus ein valider Spiegel der musikalischen Entwicklungen Beethovens, entstanden sie doch über einen Zeitraum von fast 30 Jahren zwischen 1798 und 1826 in seiner kreativen Blütezeit.

Sie lassen sich drei Schaffensperioden Beethovens zuordnen: Die ersten sechs Streichquartette, op. 18 entstanden zwischen 1798 und 1800 und stehen den direkten Vorgängern von Haydn und Mozart stilistisch noch sehr nahe, zeigen aber schon unverkennbare Merkmale des Beethoven-typischen Stiles, wie etwa den plötzlichen Dur-Moll-Wechseln oder Beethovens Hang Ideen aus kleinen Motiven zu entwickeln.
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Pieter-Jan Belder · Michelangelo Carbonara · Luigi Attademo · Godelieve Schrama · Mie Miki – Domenico Scarlatti: Sonatas – Performed on the harpsichord, piano, guitar, harp and accordion

Domenico Scarlatti, Portrait von Domingo Antonio Velasco [Public domain]Domenico Scarlatti (1685-1757) gilt als einer der wichtigsten Erneuerer der Cembalomusik. Die phantasievollen Ideen und harmonischen Erweiterungen und Neuerungen in seinen 555 Sonaten (!) brachten ihm die posthume Bewunderung folgender Generationen von Pianisten-Komponisten wie Chopin, Brahms, Bartók, Shostakovich usw. ein. Seine Sonaten ‘funktionieren’ allerdings nicht nur auf dem Cembalo, sie lassen sich hervorragend auf andere Instrumente übertragen, wo sie dann neue, ungeahnte Facetten der oft unterschätzten Musik Scarlattis freilegen.
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Various: Purcell Collection — Umfassende Purcell-Sammlung mit Spitzenaufnahmen

Henry Purcell - Portrait von Robert White [CC-BY-SA-3.0 (http://bit.ly/CCBYSA)]Henry Purcell (1659-1695) galt bereits zu Lebzeiten als der bedeutendste englische Komponist seiner Epoche und wurde als “Orpheus britannicus” verehrt. Trotz seines kurzen Lebens, er wurde gerade einmal 36 Jahre alt, hinterließ er ein relativ umfangreiches Œuvre, das alle wichtigen Bereiche der Barockmusik (Cembalo- und Orgelwerke, Kammermusik, geistliche Werke, Lieder, Opern und Schauspielmusiken) abdeckt. Anders als seine zeitgenössischen Kollegen imitierte er in seiner Musik nicht französische oder italienische Vorbilder, sondern schuf eine spezifisch eigene englische Tonsprache.

Bis ins 20. Jahrhundert galt Purcell in seiner Heimat als einziger britischer Komponist von Weltrang. Seine ungewöhnlich facettenreiche Musik, sein natürlicher Umgang mit Sprache und Melodie, wirkt bis in die heutige Gegenwartskultur: Popkünstler wie Sting und Klaus Nomi haben ‘The Cold Song’ aus “King Arthur” aufgenommen, Pete Townshend, Gitarrist und Songschreiber der Rockband The Who, zählt Purcell zu seinen wichtigsten Einflüssen.
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Ensemble Seicentonovecento, Flavio Colusso – Giacomo Carissimi: Oratorios

Giacomo CarissimiAuch wenn der Name Giacomo Carissimi (1605-1674) nicht mehr ganz so geläufig ist, so war der Römer zu Lebzeiten ein einflussreicher Komponist und Lehrer, unter anderem von  Alessandro Scarlatti, Antonio Cesti und Marc-Antoine Charpentier. Carissimis Schaffen hinterließ in ganz Europa seine Spuren. Als erster bedeutender Komponist war er an der stilbildenden Typisierung und Verbreitung der seinerzeit neuen Gattung des Oratoriums maßgeblich beteiligt. Folgende Komponisten-Generationen von Händel bis Mendelssohn sollten Carissimis 25 Oratorien als Richtschnur für ihr eigenes Schaffen nehmen.
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